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Hirngespinster

Leben mit einem psychisch Kranken

HIRNGESPINSTER erzählt eindringlich von den Belastungen, denen eine Familie ausgesetzt ist, wenn ein Familienmitglied unter einer psychischen Krankheit leidet. Im Zentrum des Films steht der junge Simon, der sich nicht traut, ein Studium anzufangen, weil er dafür seine kleine Schwester im Stich lassen würde.

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Hans Dallinger (Tobias Moretti) sitzt in seinem Zimmer in der geschlossenen Psychiatrie. Seine Frau und sein Sohn Simon kommen zu Besuch. Dallinger begrüßt seine Frau, starrt den Sohn aber nur mit einer Mischung aus Verachtung, Hass, Enttäuschung, Drohung und Blödheit an. Simon hatte den Polizisten geholfen, an seinen Vater heranzukommen, nachdem dieser den Lieferwagen einer Technikfirma, die beim Nachbarn eine Satellitenschüssel installiert hatte, mit der Axt attackiert hatte.
Tobias Moretti liefert in HIRNGESPINSTER eine furiose Leistung als schizophrener Architekt ab. Beim Zeichnen bemerkt er ein Zittern der Hand. Verdächtigt er die Familie, ihm Haldol in den Joghurt gemischt zu haben, oder macht er die unsichtbaren Satellitenstrahlen für den Tremor verantwortlich? Selten blitzen Charme und Witz auf, und selbst den Humor seiner Figur würzt er mit der Gefahr des Umkippens in den Wahnsinn. Moretti spielt die Ambivalenzen virtuos aus und schafft es damit, vor allem in den Szenen mit seinem Sohn (Jonas Nay), einen Eindruck von der permanenten Belastung zu vermitteln, die das Leben mit einem psychisch kranken Familienmitglied für die Angehörigen bedeutet. Dallinger nimmt die Krankheit nicht an und weigert sich, Medikamente zu nehmen. Seine Frau mischt ihm tatsächlich Psychopharmaka ins Essen. Die Situation, die von Vertrauensbrüchen, permanenter Sorge um den Seelenzustand des Vaters und dessen Einfluss auf die jüngste Tochter geprägt sind, erscheint als nicht lösbar. Regisseur Christian Bach erzählt seine Geschichte aus der Perspektive des Sohnes, der sich nicht traut, ein Studium anzufangen, weil er seine kleine Schwester zurücklassen müsste. Am Ende des Films fallen zwar Entscheidungen, aber geklärt ist nichts. Die Sorgen bleiben, aber es geht erstmal weiter.

Tom Dorow

Details

Deutschland 2014, 96 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama
Regie: Christian Bach
Drehbuch: Christian Bach
Kamera: Hans Fromm
Schnitt: Max Fey
Musik: Felix von Racknitz
Verleih: Movienet Filmverleih
Darsteller: Tobias Moretti, Jonas Nay, Stephanie Japp, Hanna Plaß, Ella Frey
FSK: 12
Kinostart: 09.10.2014

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