Neue Notiz
Golda – Israels Eiserne Lady
Erstaunlich schlicht
Das Biopic GOLDA erzählt vom Kampf der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir (Helen Mirren) im Yom-Kippur-Krieg von 1973 aus einseitig israelischer Perspektive.
Das Biopic GOLDA über den tapferen Kampf der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir im Yom-Kippur-Krieg von 1973 hatte 2023 auf der Berlinale Premiere. Schon damals hat mich die gedankliche Einseitigkeit des Films irritiert, der diesen Krieg sehr schlicht als israelisch-nationalistisches Heldenstück feiert und im Programm der sich so viel auf ihr politisches Bewusstsein zugutehaltenden Berlinale deplatziert wirkte. Mehr als ein Jahr später ist die politische Situation durch den aktuellen Krieg Israels in Gaza eine viel dramatischere. In diesem Kontext wirkt der Film noch problematischer.
Der Yom-Kippur-Krieg 1973 war der vierte in der langen Reihe israelisch-arabischer Kriege. Wie in allen Auseinandersetzungen davor und danach ging es um Gebietsstreitigkeiten, Gerangel um Grenzlinien, Erobern und Zurückgewinnen von Landstrichen. Im kollektiven Bewusstsein Israels hat der 19-tägige Krieg einen herausgehobenen Platz, weil der Angriff der syrischen und ägyptischen Armeen ohne Vorwarnung an Yom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, erfolgte, und weil die bis dahin als unbesiegbar geltende israelische Armee in die Nähe einer Niederlage kam. In weniger als drei Wochen kamen tausende Soldaten ums Leben, Ministerpräsidentin Golda Meir musste im darauffolgenden Jahr aufgrund ihrer Entscheidungen in diesem Krieg zurücktreten.
Der Film von Guy Nattiv erzählt die Geschichte anders. Er lässt beinahe jede reflektierende Einordnung weg und ist größtenteils ein erstaunlich schlichter Pro-Kriegsfilm, der völlig einseitig die israelische Perspektive übernimmt. Israel ist demnach Opfer eines hinterhältigen Angriffs, hat selbstverständlich das Recht auf die umkämpften Gebiete und ist dank des Geschicks seiner politischen und militärischen Führung schon fast Sieger, als der Spielverderber Kissinger mit seinem Beharren auf einem Waffenstillstand dazwischen grätscht. Ausführlich erzählte Konflikte bei militärischen Strategiebesprechungen sollen Spannung erzeugen und als Publikum soll man abgeschossene ägyptische Panzer mit einer so simplen Parteinahme bejubeln, dass es unangenehm aufstößt. Vor allem preist der Film die auch „Eiserne Lady Israels“ genannte Golda Meir als opferbereite Heldin, die zu einem hohen persönlichen Preis ihr Land rettet.
Der Coup des Films ist die Besetzung der Titelrolle mit Helen Mirren. Die 75-jährige Golda Meir, die sich als eine der ersten Regierungschefinnen der Welt unter politischen Schwergewichten behauptet und ihre Krebserkrankung vor der Öffentlichkeit verbirgt, ist natürlich eine Traumrolle. Mirren wollte sie unbedingt spielen, und ohne sie wäre dieses Werk wohl kaum im Berlinale-Programm gelandet. Sie spielt brillant Meirs desillusionierte politische Klugheit und ihren Kampf gegen Krankheit und Alter, eine Küchenszene mit Kissinger ist ein einsamer komischer Höhepunkt. Doch die fast obsessiv häufig eingesetzten Detailaufnahmen von Mirren-Goldas stark prosthetisch verändertem Gesicht lösen das darin steckende Versprechen nicht ein, in die sicherlich komplexe Gedankenwelt der Hauptfigur einzutauchen. Goldas und Israels Kampf bleibt immer gut und richtig, und Mirrens Schauspielleistung kann die unkritische Eindimensionalität nicht aufwiegen.
Die Frage drängt sich auf, warum der Verleih den Film ausgerechnet jetzt in die deutschen Kinos bringt. Als Diskussionsbeitrag zur aktuellen Situation taugt GOLDA jedenfalls genau so wenig wie zur historischen Einordnung der Ereignisse von 1973.
Originaltitel: Golda
Großbritannien 2023, 100 min
Sprache: Englisch, Hebräisch, Arabisch
Genre: Historienfilm, Kriegsfilm
Regie: Guy Nattiv
Drehbuch: Nicholas Martin
Kamera: Jasper Wolf
Schnitt: Arik Lahav-Leibovich
Musik: Dascha Dauenhauer
Verleih: Weltkino Filmverleih
Darsteller: Helen Mirren, Liev Schreiber, Camille Cottin, Ed Stoppard, Dominic Mafham
FSK: 12
Kinostart: 30.05.2024
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IMDB
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