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Gasmann

Bernd hasst alles

Am St. Pauli Theater in Hamburg hat Bernd eine neue Rolle, er soll einen „Gasmann“ spielen, einen SS-Offizier. Bernd hasst das Stück, er hasst den eitlen Regisseur, seinen strebsamen Kollegen und sowieso alles.

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Bernds Leben hat vier Teile: Familie, Freunde, Liebe und Beruf. Was so anständig und zufrieden klingt, ist jedoch eine ziemliche Ödnis. Die Zeit mit seinem Sohn, die von den Begegnungen mit der aggressiven Exfrau gerahmt wird, ist ermüdend. Seine Karriere als Theaterschauspieler läuft schleppend. Wenigstens die nächtlichen Autofahrten mit seiner Freundin sind ein wenig befreiend. Und der Stammtisch mit seinen Freunden, die ebenso gern Kette rauchen und Schnäpse trinken wie Bernd, ist erfüllend.

Die Beziehung zu seinem Sohn und zu seiner Freundin bleiben im Dunkeln, es sind seine beruflichen Zweifel und seine zweifelhaften Freunde, denen dieser Film gehört. Am St. Pauli Theater in Hamburg hat Bernd eine neue Rolle, er soll einen „Gasmann“ spielen, einen SS-Offizier. Bernd hasst das Stück, er hasst den eitlen Regisseur, seinen strebsamen Kollegen und sowieso alles. Die Proben für den Gasmann zeigen Bernd, dass er auf der Bühne ebenso wenig begeisterungsfähig – und begeisternd – ist wie im Leben. Außerdem scheint sich eine leise Annäherung des Schauspielers Bernd an seine Nazirolle zu vollziehen ¬– diese Liaison zwischen phlegmatischem Schauspieler und fanatischem SS-Mann stärker zu gewichten hätte dem GASMANN sicher mehr Tiefe verliehen. Doch die Proben sind auch so eine großartige Parodie des Theaters („Alle Texte raus! Wir machen jetzt nur noch Körper, nur noch Raum!“) und auch die Kippenpausen zwischendurch ergeben witzige, präzise Szenen.

Rauchen tun in diesem Film sowieso alle, überall und jederzeit. Das unterstützt nicht nur die betont abgehalfterte Retroästhetik, sondern ist auch eine dankbare Beschäftigung für einen Protagonisten, der weder viel tut, noch sagt, noch denkt. Nur in seiner literarischen Stammtischrunde blüht Bernd ein wenig auf, wenn sie alle um den Tisch sitzen, ihre Texte vorlesen und ich gegenseitig pseudointellektuelle Worthülsen zuschnipsen. Spätestens bei einem Ausflug in ein Landhaus entwickelt sich zwischen diesen dubiosen Freunden eine Dynamik, die an Marco Ferreris DAS GROSSE FRESSEN erinnert. Ausgearbeitet wird diese Entwicklung nicht – GASMANN geht da lieber nochmal schweigend eine rauchen.

Yorick Berta

Details

Deutschland 2019, 87 min
Genre: Drama
Regie: Arne Körner
Drehbuch: Arne Körner, Akin Sipal
Kamera: Martin Prinoth, Max Sänger
Schnitt: Arne Körner
Musik: Sebastian Gille, Passierzettel
Verleih: missingFILMs
Darsteller: Rafael Stachowiak, Gala Ohtero Winter, Kristof Van Boven
FSK: 12
Kinostart: 22.07.2021

Website
IMDB

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