Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Everything Everywhere All At Once

Familienfilm mit Parallenuniversen

Bei allen irrwitzigen Ideen, Analplug-Witzen, Martial Arts-Sequenzen, Wackelaugen und Paralleluniversen ist EEAAO ein sehr rührender und liebenswerter Familienfilm.

Mehr

Wenn man über einen Film aus diesem eigentlich guten Kinojahr noch in zwanzig Jahren reden wird, dann über EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE. Wie PULP FICTION 1994 neue erzählerische Standards gesetzt hat und sich bis heute mehr (Rodriguez) oder weniger (Guy Ritchie) talentierte Regisseure an Tarantino abarbeiten, werden in den nächsten Jahrzehnten Dutzende versuchen, den Wahnsinn der Daniels (das Regie-/Autoren-Duo Daniel Kwan und Daniel Scheinert) zu emulieren. Das wird nicht so einfach sein. Nach dem US-Start ist Twitter von EEAAO-Memes überflutet worden. In einer gerechten Welt hätten sich die Oscars für 2022 erledigt, jedenfalls für Hauptdarstellerin, Nebendarsteller*innen, Regie, Drehbuch, Schnitt, Bühnenbild, Kostüme und visuelle Effekte. Aber der nostalgische Familienfilm von Steven Spielberg kommt ja noch. #ironie #zwinkerzwinker

Ein Familienfilm ist auch EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE und bei allen irrwitzigen Ideen, Analplug-Witzen, Martial Arts-Sequenzen, Wackelaugen und Paralleluniversen, in denen Menschen Wurstfingerhände besitzen, bei aller Fashion-Craziness und allen Ultra-Hochgeschwindigkeitsmontagen ein sehr rührender und liebenswerter. Eigentlich geht es um eine Entschuldigung. Aber so wie TITANIC den Untergang des größten Passagierschiffs des 20. Jahrhunderts beschwören musste, um von erster Liebe zu erzählen, nehmen die Daniels gleich die ganze Welt der möglichen Universen in Angriff, inklusive der ultimativen Welten-Apokalypse, um zu erzählen, was es bedeutet, dass sich eine asiatisch-stämmige Mutter bei ihrer Tochter entschuldigen will – aber es einfach nicht hinbekommt.

Michelle Yeoh, größter Star des Hongkong-Kinos und die legendäre Martial-Arts-Meisterin des asiatischen Kinos, spielt Evelyn Wang, eine chinesisch-amerikanische Waschsalonbesitzerin, die mit dem liebevollen aber tollpatschigen Waymond (Jonathan Ke Quan) verheiratet ist. Ihr steht eine Steuerprüfung bevor, was bei ihrer weniger innovativen als chaotischen Buchführung einem jüngsten Gericht gleichkommt. Außerdem ist ihr Vater Gong Gong zu Besuch, ein unverbesserlicher Miesepeter, am Abend soll das chinesische Neujahrsfest mit einer großen Karaoke-Party im Waschsalon gefeiert werden, und Tochter Joy (Stephanie Hsu) hat ihre Geliebte Becky eingeladen, eine Butch-Lesbe im „sexy Mormon“-Look (Selbstbeschreibung): Undercut, Tattoos, hochgeschlossene Mormonenbluse. Endgegnerin in dieser Welt scheint die Steuerprüferin Deirdre Beaubeirdra zu sein, dämonisch und umwerfend komisch dargestellt von Jamie Lee Curtis. Aber wie schon der romulanische Captain in der Original-Star-Trek Serie wusste: In einem anderen Universum hätte Kirk sein Freund sein können.

Währen im aktuellen Universum der Haussegen schief hängt - Evelyn hat dem Großvater Becky als „Joys gute Freundin aus dem College“ vorstellt, Gong Gong nörgelt herum, das Wort „Scheidung“ macht die Runde und die gruselige Steuerprüferin wartet auf Antworten – verändert Evelyns Ehemann Waymond im Aufzug plötzlich sein ganzes Wesen und eröffnet ihr innerhalb von Sekunden den Weg in sämtliche Paralleluniversen, die jede einzelne Entscheidung in Evelyns Leben erzeugt hat. Nur Evelyn kann das Multiversum vor der völligen Vernichtung durch ein grauenvolles Wesen retten, das einen alles verschlingenden Donut des absoluten Nichts erschaffen hat. Mehr wird hier nicht verraten. Man muss das gesehen haben, um es zu glauben. Mehr Ideen, mehr Spaß und eine freundlichere Erzählung gibt es derzeit nirgendwo.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Everything Everywhere All at Once
USA 2022, 132 min
Sprache: Englisch, Mandarin, Kantonesisch
Genre: Fantasy, Komödie, Abenteuer
Regie: Dan Kwan, Daniel Scheinert
Drehbuch: Dan Kwan, Daniel Scheinert
Kamera: Larkin Seiple
Schnitt: Paul Rogers
Verleih: Leonine
Darsteller: Michelle Yeoh, Jamie Lee Curtis, Stephanie Hsu, Ke Huy Quan, James Hong
FSK: 16
Kinostart: 28.04.2022

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.