Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen

Porträt als Collage

Claudia Müllers Porträt der Autorin Elfriede Jelinek stellt deren Texte in den Mittelpunkt, die hier von Sophie Rois, Sandra Hüller und Martin Wuttke gelesen werden.

Mehr

Eine "Textmasse ohne eine Spur künstlerischer Struktur", dafür aber voll "lustloser Gewaltpornographie." So äußerte sich Knut Ahnlund, Mitglied der Schwedischen Kommission, die im Jahre 2004, die österreichische Autorin Elfriede Jelinek mit dem Literaturnobelpreis auszeichnete. Der deutsche Großkritiker Marcel Reich-Ranicki kommentierte die Auszeichnung Jelineks im „Spiegel“ wiederum so: „Das literarische Talent der Elfriede Jelinek ist, um es vorsichtig auszudrücken, eher bescheiden. Ihre Dramen sind unaufführbar. Ein guter Roman ist ihr nie gelungen, beinahe alle sind mehr oder weniger banal oder oberflächlich.“

Wer so viel Antipathie weckt, gerade bei den inzwischen sprichwörtlich gewordenen „alten, weißen Männer“, an dem muss etwas dran sein. Doch wie nähert man sich in einem biografischen Dokumentarfilm einer Autorin, die sich wie Elfriede Jelinek fast völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat und praktisch keine Interviews gibt? Claudia Müller hat aus der Not eine Tugend gemacht und – wie es der Untertitel ihres Films andeutet – die Sprache von der Leine gelassen. Gesprochen von Schauspieler*innen wie Sophie Rois, Sandra Hüller oder Martin Wuttke, stehen die Texte Jelineks im Mittelpunkt, die Müller zu einer assoziativen Collage formt. Unterlegt sind die Texte mit Archivaufnahmen von Jelinek, Interviews und Aufnahmen, bevor sie sich ganz zurückzog. Dazu Bilder von Österreich, einem zerrissenen Land, das seine Beteiligung im Zweiten Weltkrieg mehr verdrängte als verarbeitete, ein Missstand, den viele österreichische Künstler anprangerten, von Bernhard über Haneke bis eben Jelinek. Eine dichte, ausufernde Collage, eine Annäherung an eine streitbare Autorin, ein Film, der nicht zuletzt Lust macht, Jelinek (wieder) zu lesen.

Michael Meyns

Details

Deutschland 2022, 96 min
Genre: Dokumentarfilm, Porträt
Regie: Claudia Müller
Drehbuch: Claudia Müller
Kamera: Christine A. Maie
Schnitt: Mechthild Barth
Musik: Eva Jantschitsch
Verleih: farbfilm verleih
FSK: 12
Kinostart: 10.11.2022

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.