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Bohnenstange

Soldatinnen nach dem Krieg

Kantemir Balagov erzählt in seinem Film BOHNENSTANGE die Geschichte eines lesbischen Paares in Leningrad, direkt nach dem zweiten Weltkrieg.

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Kantemir Balagov erzählt in seinem Film BOHNENSTANGE die Geschichte eines lesbischen Paares in Leningrad, direkt nach dem zweiten Weltkrieg. Iya (Viktoria Miroshnichenko), eine große blonde Frau, die „Bohnenstange“ genannt wird, arbeitet in einem Krankenhaus, in dem Verwundete gepflegt werden. Aber auch Iya ist kriegsversehrt. Sie hat eine Verletzung unterm Ohr und bekommt immer wieder katatonische Anfälle. Offenbar bei einem dieser Anfälle stirbt der kleine Pashka, der Sohn ihrer Freundin Masha (Vasilisa Perelygina), die bald darauf aus dem Militärdienst zurückkehrt. Masha wirkt seltsam unberührt von Pashkas Tod. Sie will tanzen gehen und reißt noch am gleichen Abend den wohlhabenden Sasha auf, der – gegen Iyas Widerstand – das Paar mit Lebensmitteln versorgt und sich als Mashas Verlobter fühlt. Masha will ein Kind als Ersatz für Pashka, und da sie selbst nicht schwanger werden kann, soll Iya das Kind austragen, die aber keine sexuellen Kontakte mit Männern erträgt.
Balagovs Film ist eine Leidensgeschichte, die manchmal schwer zu ertragen ist. Das Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ der Nobelpreisträgerin Swetlana Alexjiewitsch habe ihn zu diesem Film inspiriert, sagt Balagov. Er habe sich gefragt, was mit den Soldatinnen nach dem Krieg passieren würde. Balagov lässt seine Heldinnen auf zwei Weisen mit dem Schmerz umgehen: Iya versinkt in ihm, Masha entwickelt eine fast skrupellose Energie, und sucht Erlösung in einem Kind, an dem sie sich festhalten kann. BOHNENSTANGE wurde bei den Filmfestspielen von Cannes 2019 in der Sektion „Un certain regard“ für die Beste Regie ausgezeichnet. Die Hauptdarstellerinnen spielen expressiv, in einem schutzlosen Stil, der gelegentlich an Andrzej Żuławskis Filme erinnert. Die Kamera von Ksenia Sereda lässt die Farben – vor allem ein strahlendes Grün, das Balagov als eine Art Seelen-Blutrot einsetzt – beinahe höhnisch leuchten. Harte Kost.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Dylda
Russland 2019, 130 min
Sprache: Russisch
Genre: Drama, Kriegsfilm
Regie: Kantemir Balagov
Drehbuch: Kantemir Balagov, Alexandr Terekhov
Kamera: Kantemir Balagov
Verleih: eksystent distribution
Darsteller: Viktoria Miroshnichenko, Vasilisa Perelygina, Andrey Bykov, Igor Shirokov, Konstantin Balakirev, Kseniya Kutepova
FSK: 12
Kinostart: 22.10.2020

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