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Die Kinder aus Korntal

Allumfassender Missbrauch

In ihrem Dokumentarfilm spricht Julia Charakter mit ehemaligen Heimkindern, die in Korntal über Jahre allumfassenden Missbrauch erlebten, und sie zeigt einen Ort, der dies am liebsten vergessen würde.

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Korntal-Münchingen ist eine Kleinstadt in der Nähe von Stuttgart, die seit dem frühen 19. Jahrhundert eng mit der dort ansässigen Evangelischen Brüdergemeinde verbunden ist, was ihr auch den Namen „Das heilige Korntal“ eingebracht hat. Julia Charakters Dokumentarfilm DIE KINDER VON KORNTAL zeigt die wenig heilige Realität unter der idyllischen Oberfläche. Seit Detlev Zander 2013 mit Berichten über Missbrauch und Ausbeutung, die er als Heimkind in Korntal erlebte, an die Öffentlichkeit ging, haben sich 170 weitere ehemalige Bewohner*innen mit ähnlichen Geschichten gemeldet. Die Fälle reichen bis in die 2000er, aber der Film konzentriert sich auf Zander und fünf weitere Bewohner*innen, die in den 1960er Jahren in die Obhut des Heims überstellt wurden. Sie waren Kinder aus „schlechten Verhältnissen“ und wurden im Heim ständig an ihre Wertlosigkeit erinnert, während das Personal sie seelisch und sexuell missbrauchte oder als Arbeitskräfte für Bauarbeiten nutzte.
Ihr Missbrauch war allumfassend, und die Täter*innen reichten vom Schulleiter über den Hausmeister bis hin zu Patenfamilien aus dem Ort. Und während die Betroffenen davon erzählen, wie die Auswirkungen des Missbrauchs sie bis heute daran hindern, ein normales Leben zu führen, bittet der Vorsteher der Bruderschaft um Vergebung und sagt ein Korntaler Paar, dass sie das Thema eigentlich gerne abgeschlossen und vergessen hätten. Der Diskurs erinnert stark daran, wie nach dem Zweiten Weltkrieg über Schuld und Verantwortung gesprochen wurde, und wie die gesellschaftlich starke Seite alles letztlich nur aussitzen muss. An das Leid, mit dem die sozial Schwachen allein gelassen werden, erinnert das Lied, das den Film beginnt und abschließt, Bettina Wegners „Kinder (Sind so kleine Hände)“.

Christian Klose

Details

Deutschland 2023, 90 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Julia Charakter
Drehbuch: Julian Charakter
Kamera: Jonas Eckert
Schnitt: Jonas Eckert, Julia Charakter
Musik: Leonard Küßner
Verleih: Edition Salzgeber
FSK: 12
Kinostart: 26.09.2024

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