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Die Frau des Nobelpreisträgers

Die Königsmacherin geht

Glenn Close spielt Joan, die Ehefrau des Schriftstellers Joe Castelman, der soeben erfahren hat, dass er den Literaturnobelpreis erhalten hat. Auf der Reise zur Preisverleihung brechen sich Joans jahrelang unterdrückte Gefühle und verdrängte Erinnerungen immer weiter Bahn.

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Die Binsenweisheit, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht, die ihn stützt, ist nicht nur oft korrekt, sondern auch ein ziemlich vergiftetes Lob - das stellt THE WIFE geradezu genüsslich in unerbittlicher Konsequenz bloß. „Hinter jeder erfolgreichen Frau stehen drei Männer, die sie zurückhalten wollen“, ergänzte die Politikerin Waltraud Schoppe den Satz vor über 30 Jahren. Doch ganz so einfach aufzuschlüsseln ist die Geschichte auch in Björn Runges Adaption des gleichnamigen Bestseller-Romans von Meg Wolitzer dann doch nicht.

Der Film begleitet das Ehepaar Joan (Glenn Close) und Joe Castleman (Jonathan Pryce) im Jahr 1993, als sie erfahren, dass Schriftsteller Joe tatsächlich den Nobelpreis für Literatur erhalten wird. Schon beim frühmorgendlichen Anruf des Akademie-Präsidenten und dem darauffolgenden Freudentanz im Bett huscht ein seltsamer Ausdruck über Joans Gesicht, der bereits die Ahnung aufkommen lässt, dass sich irgendwo weit hinter der lächelnden Fassade tiefe Kränkung und Enttäuschung eingenistet haben. Worum es sich bei dem Schatten handelt, der den Jubel über den Höhepunkt in der Karriere ihres Partners, auf den sie als selbsternannte „Königsmacherin“ ebenfalls jahrzehntelang hingearbeitet hat, trüben könnte, bleibt zunächst unklar.

Doch während ihrer Stockholm-Reise zur angeberischen Preisverleihung brechen sich unterdrückte Gefühle und verdrängte Erinnerungen immer weiter Bahn und lassen sich selbst durch eine kontrollierte Persönlichkeit wie die von Joan nicht mehr aufhalten. Tatsächlich erweist sich ihr vermeintlich genialer Ehemann und ehemaliger Anglistik-Professor nicht nur als unselbstständig und äußerst unsensibel, was den respektvollen öffentlichen Umgang mit seiner Frau angeht, als wirsch und beleidigend bei der Bewertung des Schreibtalents ihres gemeinsamen Sohnes David (Max Irons) und als latent untreu, sondern auch noch als erstaunlich unsicher, wenn es um die Namen der Hauptfiguren seiner großen literarischen Erfolge geht.

Nach und nach offenbart sich die Wahrheit in Rückblenden. Sie erzählen von einer begabten studentischen Autorin, der jungen Joan (gespielt von Glenn Closes Tochter Annie Clarke), und von ihrer Liebesbeziehung zu ihrem verheirateten Mentor und späterem Ehemann Joe (Harry Lloyd), von kaum vorhandenen Aussichten auf Anerkennung und kommerzielle Erfolge innerhalb der patriarchalischen Strukturen des westlichen Literaturbetriebs der 1950er Jahre. Dem mutmaßlichen Geheimnis auf der Spur ist auch Joes Möchtegern-Biograf Nathaniel Bone (Christian Slater), ein unangenehmer und überaus penetranter Stalker-Journalist, der den Castlemans bis nach Schweden folgt und Joan schließlich in einem schwachen Moment überrumpelt, um sie mit seinen Erkenntnissen zu konfrontieren.

THE WIFE erzählt von einer scheinbar aufgeklärten Gesellschaft und ihrer, wenn nicht wahnhaften, so doch zumindest heuchlerischen Fixierung auf den Glauben an das männliche Genie, und von einer Kulturindustrie, deren Strukturen diesen Gedanken immer weiter reproduzieren. Dabei ist es vor allem das herausragende Mienenspiel von Glenn Close, das die Verfilmung zu einem wirklichen Erlebnis macht. Natürlich stehen ihr dabei auch brillante Kollegen zur Seite, doch diese Show gehört wahrlich ihr allein. Die überwältigende Subtilität, mit der die – bislang von der Oscar-Akademie übergangene – Schauspielerin das Innenleben ihrer jederzeit um Haltung bemühten Figur andeutet und auslotet, ist ein Ereignis.

Jens Mayer

Details

Originaltitel: The Wife
Großbritannien/Schweden 2017, 100 min
Genre: Drama
Regie: Björn Runge
Drehbuch: Jane Anderson
Kamera: Ulf Brantås
Schnitt: Lena Runge
Verleih: SquareOne
Darsteller: Glenn Close, Jonathan Pryce, Christian Slater, Max Irons, Karin Franz Körlof
FSK: 12
Kinostart: 03.01.2019

Website
IMDB

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