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Der menschliche Faktor

Kein Konsens

Eine Familie fährt im Herbst in ein Wochenendhaus an der belgischen Küste, und es scheint, als seien bereits Leute im Haus. Ein Einbruch? Es geht um unterschiedliche Wahrnehmungen einer Realität, die erst durch Kommunikation entsteht.

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Ein Gefühl der Unsicherheit durchzieht Ronny Trockers Film DER MENSCHLICHE FAKTOR, der außer seinem Titel nichts mit Graham Greenes Roman und Otto Premingers Verfilmung des Apartheid-Spionage-Thrillers von 1979 zu tun hat. Hier geht es um unterschiedliche Wahrnehmungen einer Realität, die erst durch Kommunikation entsteht. Eine Familie fährt im Herbst in ein Wochenendhaus an der belgischen Küste, und es scheint, als seien bereits Leute im Haus. Ein Einbruch? Eine Nase blutet, so viel ist sicher. Die Eltern sind Kommunikationsprofis, sie leiten eine Werbe- und PR-Agentur. Ihre private Kommunikation beschränkt sich aber fast ausschließlich auf Imperative und Planung: „Mach die Fenster auf“, „Putz den Rattenkäfig“, „Soll ich das Restaurant reservieren?“ Es ginge um die Diskrepanz zwischen professioneller und privater Kommunikation ist, sagt Ronny Trocker in seinem Regie-Statement, aber auch in der Agentur wird nur gesprochen, um eine Handlung auszulösen oder anzukündigen „Das ist mein Pitch für morgen“ – „Find ich gut“. DER MENSCHLICHE FAKTOR ist weniger eine Diagnose professioneller Deformation als eine gesellschaftliche Diagnose: In diesem Film ist Sprache nur performativ, also auf einen direkten, realen Effekt ausgerichtet. Wenn sich Sprache aber auf Anweisungen, Forderungen und Selbstbehauptungen reduziert, verschwindet die Möglichkeit des Konsenses über das Erlebte. So nichtig der Anlass, so relevant scheinen die Fragen, die Trockers Film stellt, gerade im Hinblick auf Sprache und Propaganda in sozialen Medien. Ein experimenteller Film, achronologisch und aus verschiedenen Perspektiven erzählt, der zwar nervt, aber sich dann doch ins Gehirn frisst. Nur die Ratte kennt die Wahrheit.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Hors Saison
Deutschland/Italien/Dänemark 2021, 102 min
Sprache: Französisch, Deutsch
Genre: Drama
Regie: Ronny Trocker
Drehbuch: Ronny Trocker
Kamera: Klemens Hufnagl
Schnitt: Julia Drack
Verleih: farbfilm Verleih
Darsteller: Mark Waschke, Marthe Schneider, Sabine Timoteo, Spencer Bogaert, Hassan Akkouch, Karen Margrethe Gotfredsen
FSK: 12
Kinostart: 30.06.2022

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