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Coup

Lässiges Understatement

Ein kleiner Bankangestellter erleichtert seinen Arbeitgeber in den 1980er Jahren um Millionen, setzt sich ab, und bekommt dann Heimweh. COUP rekonstruiert minutiös und sehr unterhaltsam die wilde – und wahre (!) - Geschichte des Betruges.

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COUP von Sven O. Hill ist einer der lustigsten deutschen Filme der letzten Zeit und erinnert ganz von Ferne an den Hamburger Kultfilm ROLLO ALLER (1990). Der dokumentarische Prolog trägt sich an einem grauen Tag in Hamburg zu. Das Wasser schlappt träge an den Elbstrand. Im Hintergrund ragen die Kräne des Frachthafens in den Himmel, und im Vordergrund geht ein Mann in Parka und Jeans den Strand entlang und beantwortet offenbar eine Frage: „Nee, ich glaube, so richtig vermissen werde ich nichts. Strand gibt’s ja überall auf der Welt. Und Häfen. Fischbrötchen. Das werde ich vermissen, die gibt’s nicht überall auf der Welt.“ Pause. „Nee, ich glaube, so richtig werde ich nichts vermissen. Ich hab‘ dann halt keine Hamburger Probleme mehr, sondern andere Probleme.“

Das Szenario wechselt zum Spielfilm, aber der lakonische Tonfall bleibt. Zwei junge Männer schnallen einen Ghettoblaster auf ein Motorrad. Wir sind in den achtziger Jahren. Unser Mann aus dem Vorspann entdeckt als Jungspund seine Liebe für Motorräder und macht eine Lehre zum Bankangestellten. Während seine Umwelt verdutzt guckt, fühlt er sich sowohl in Leder wie im Anzug wohl, langweilt sich auf der Arbeit dann aber irgendwann doch, und eines Tages entwirft er mit seinem besten Rockerkumpel einen genialen Plan, um einfach und völlig unangreifbar an viel Geld zu kommen. Als sie dann jedoch mit mehreren in Millionen in Australien sitzen, stellt sich Heimweh ein. COUP rekonstruiert minutiös die wilde – und wahre (!) - Geschichte des Betrugs, die aus Hamburg nach Luxemburg und Australien und wieder zurück in die Gegenwart an den Elbstrand führt. Schön ist auch, dass es dabei nicht nur um den großen Bogen geht, sondern man auch im Detail versteht, wie genau und mit Hilfe welcher Schlupflöcher sich der Finanzbetrug realisieren ließ.

Regisseur Sven O. Hill wechselt in seiner Erzählung bruchlos zwischen Spielfilmszenen, Animationen und wenigen Originaldokumenten. Erzähler ist der Protagonist selbst, der in Interviews mit Hamburger Gelassenheit ebenso detailliert wie amüsant berichtet, wie sich der große Coup zugetragen hat. Komisch ist dabei nicht nur das lässige Understatement des Selbstdarstellers, sondern auch die ebenso lässige Inszenierung von Regisseur Sven O. Hill und das ganze enorm trocken agierende Ensemble – vorneweg Daniel Michel als Banker-Rocker, Tomasz Robak als sein weichherziger Komplize, Paula Kalenberg als leidgeprüfte „Perle“ und Rocko Schamoni als schmieriger Rechtsanwalt.

Hendrike Bake

Details

Deutschland 2019, 82 min
Genre: Drama
Regie: Sven O. Hill
Drehbuch: Sven O. Hill
Kamera: Sven O. Hill
Verleih: imFilm
Darsteller: Rocko Schamoni, Daniel Michel, Paula Kalenberg, Tomasz Robak, Fabienne Hollwege, Laurens Walter
FSK: 6
Kinostart: 26.08.2021

Website
IMDB

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