Neue Notiz
Casting
Eskalierendes Drama
Ausgerechnet Fassbinders DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT will die Regisseurin Vera für’s Fernsehen neu verfilmen. Ein paar Tage vor Drehstart fehlt ihr allerdings noch die Hauptdarstellerin…
Regisseurin Vera will ausgerechnet Fassbinders DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KAN für’s Fernsehen neu verfilmen. Ein paar Tage vor Drehstart fehlt ihr allerdings noch die Hauptdarstellerin. Der Casting- Agentin beginnt der Geduldsfaden ob der immer mehr als Allüren empfundenen Kapriolen der Regisseurin zu reißen, der Produzent dreht, die öffentlich-rechtlichen Institutionen im Rücken, am Rad, obwohl er der Hälfte dessen, was hier grade aus dem Ruder läuft noch gar nicht gewahr ist. Bloß Gerwin (Andreas Lust), der in den Castings, zu denen dann unter anderem Ursina Lardi, Corinna Kirchhof, Andrea Sawatzki und Marie-Lou Sellem antanzen, als Anspielpartner fungiert, hat seine Freude an der Sache. Der Absprung des prospektiven Hauptdarstellers allerdings – Fassbinder scheint, so muss man schlussfolgern, dem zeitgenössischen Fernsehpublikum bzw. seinen Anstalten nur hetero zuzumuten zu sein – bringt dann auch bei Gerwin schon halb begrabene Karriere-Ambitionen zum Lodern. Was folgt ist ein doppelbödiges, aberwitziges und kluges Kammerspiel der Eitelkeiten und Hierarchien, der Produktions- und Geschlechterverhältnisse.
Die Projektion Fassbinderscher Poetik in die filmische und deutsche Gegenwart ist dann freilich Wackerbarths Film selbst, nicht nur aufgrund der Anspielungen und Zitate, die CASTING immer wieder elegant einflicht. Als bloße Satire würde man Casting missverstehen, weil er sich den Dingen nicht im Modus abwehrender Ironie nähert, sondern das, was lachhaft erscheint, bitter ernst nimmt. So gelingt das in der deutschen Komödie viel zu seltene Kunststück, dort wo’s am meisten wehtut, die hellsten komischen Funken zu schlagen. Ein eskalierendes Drama, dem man von der ersten bis zur letzten Minute mit Lust und Schmerz beiwohnt.
Deutschland 2017, 90 min
Genre: Drama, Komödie
Regie: Nicolas Wackerbarth
Drehbuch: Nicolas Wackerbarth, Hannes Held
Kamera: Jürgen Carle
Schnitt: Saskia Metten
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Marie-Lou Sellem, Andreas Lust, Ursina Lardi, Stephan Grossmann, Andrea Sawatzki
FSK: oA
Kinostart: 02.11.2017
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