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Black Box

Mikrokosmos Hausgemeinschaft

In einem Berliner Wohnhaus verhängt die Polizei wegen eines nicht näher spezifizierten Terrorverdachts eine Ausgangssperre. Unter dem Druck von außen werden die Loyalitäten brüchig, Beziehungen und sicher geglaubte Annahmen kollabieren, Misstrauen und Angst greifen um sich.

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Wie viele unterschiedliche Lebensmodelle und Weltbilder wohl in dem äußerlich recht friedlichen Berliner Mietshaus, in dem ich wohne, auf engstem Raum miteinander koexistieren, habe ich mich schon oft gefragt. Während der Corona-Pandemie wurde in diesem kleinen wie im größeren gesellschaftlichen Rahmen das Gefühl größer, dass durchaus nicht selbstverständlich davon auszugehen ist, man könne sich mit den meisten Mitmenschen sicher auf einige Basisannahmen einigen. Mit einer ähnlichen Fragestellung arbeitet Aslı Özge in BLACK BOX. In einem Berliner Wohnhaus verhängt die Polizei wegen eines nicht näher spezifizierten Terrorverdachts eine Ausgangssperre. Ein Auto wird abgeschleppt, eine Wohnung durchsucht, die eingesperrten Bewohner treffen im Hof aufeinander, der schon länger ein umkämpftes Gebiet ist. Die neue Hausverwaltung hat Mülltonnen umplatziert, eine Protestinitiative bildet sich, ein Kind hat oder hat nicht vor die Haustür gepinkelt. Ein zentraler Konflikt ist die Besitzfrage, das Haus besteht teils aus Miet-, teils aus Eigentumswohnungen. Die Loyalitäten der Bewohner werden unter dem äußeren Druck brüchig, Beziehungen und sicher geglaubte Annahmen kollabieren, Misstrauen und Angst greifen um sich. Gefilmt ist das oft aus beengten Perspektiven: Mit Blicken von Wohnungen nach draußen, Spiegelungen in Fensterscheiben und verzerrten Bildern erzählt Özge, wie man sich gegenseitig belauert, wie alle nur einen Teil der Informationen haben und daraus ihre Realitäten konstruieren. Dass dieser Mikrokosmos als Metapher für die Gesamtgesellschaft gemeint ist, ist klar und Aslı Özges Diagnosen ist wenig entgegenzusetzen. Schwierig sind der überaus langsame Aufbau der Eskalation, der nur selten erzählerische Spannung entstehen lässt, und das Gesamtbild einer verfahrenen, unlösbaren Situation.

Susanne Stern

Details

Deutschland/Belgien 2023, 120 min
Genre: Thriller, Drama
Regie: Aslı Özge
Drehbuch: Asli Özge
Kamera: Emre Erkmen
Schnitt: Patricia Rommel
Verleih: Port-Au-Prince Pictures
Darsteller: Luise Heyer, Felix Kramer, Christian Berkel, Timur Magomedgadzhiev, Manal Issa, André Szymanski, Sascha Alexander Geršak, Jonathan Berlin, Anne Ratte-Polle
Kinostart: 10.08.2023

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