Neue Notiz
Baldiga: Entsichertes Herz
1979 zieht Jürgen Baldiga, Sohn eines Essener Bergmanns, nach West-Berlin und dokumentiert in Texten tausenden Fotos die schwule Subkultur.
Der Name Jürgen Baldiga ist mit der Zeit etwas in Vergessenheit geraten, aber jede Begegnung mit seinem fiebrigen Werk ist stets eine Bereicherung. In den 1980er Jahren hat Baldiga alles mit seiner Kamera festgehalten, was er um sich herum sah: Sexarbeiterinnen, Obdachlose, Dragqueens, Schwulenbars, schöne Jünglinge und von AIDS gezeichnete Körper - mit seinem ungeschönten Blick wurde er zu einem der wichtigsten Chronisten der damaligen queeren Szene im Westen Berlins. Seine Bilder sind Zeugen einer wilden, widerständigen, kämpferischen Subkultur.
„Ich bin an Menschen interessiert, die am Rand der Gesellschaft stehen und ihre Mitte gefunden haben“, schrieb der aus Essen stammende Arbeitersohn wenige Monate vor seinem Tod im Dezember 1993 in sein Tagebuch. Baldiga wurde nur 34 Jahre alt und blieb selbst immer auf der Suche nach einem Gleichgewicht. Eine innere Entrücktheit einerseits und sein rastloser Tatendrag andererseits kennzeichnen auch den Film von Markus Stein, der nach einem Drehbuch von Ringo Rösener entstanden ist.
Baldigas Tagebucheintragungen seit 1979 sind ein zentrales Element in Steins Versuch, der getriebenen Persönlichkeit seines Protagonisten Herr zu werden. Der Regisseur setzt Baldigas rohe Gedanken unmittelbar in Verbindung mit den zahlreichen Fotografien und Videos aus seinem Nachlass. Dazu geben Stimmen aus dem Off von Menschen, die ihn kannten, Einblick in seine Welt. Vor allem im ersten Teil dieser angenehm unaufgeregten Auseinandersetzung mit dem Künstler, der sich 1984 mit HIV infizierte, findet Stein dadurch das richtige Feingefühl für sein Sujet. Doch je schwerer die Krankheit in Baldigas Alltag eingreift, desto mehr weitet sich auch der Blickwinkel des Films. Dem expliziten, von der AIDS-Pandemie geprägten Werk stehen plötzlich die trockenen Kommentare von Medizinern gegenüber. Sie verändern nicht nur den Ton der Dokumentation, sondern sorgen allzu schnell für Ernüchterung. Dabei hätte man gerne noch ein bisschen länger einfach nur die rohe Kraft von Baldigas Worten und Bildern gespürt.
Originaltitel: Baldiga: Entsichertes Herz – Baldiga: Unlocked Heart
Deutschland 2024, 92 min
Genre: Dokumentarfilm, Porträt
Regie: Markus Stein
Drehbuch: Ringo Rösener
Kamera: Florian Lampersberger
Schnitt: Brigitte Maria Schmidle
Musik: Manuela Schininà, Eike Hosenfeld
Verleih: Edition Salzgeber
Darsteller: Bernd Gaiser, Juliette Brinkmann, Birgit Baldiga
FSK: 16
Kinostart: 28.11.2024
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Vorführungen
Baldiga: Entsichertes Herz
(Baldiga: Entsichertes Herz – Baldiga: Unlocked Heart) | Deutschland 2024 | Dokumentarfilm, Porträt | R: Markus Stein | FSK: 16
1979 zieht Jürgen Baldiga, Sohn eines Essener Bergmanns, nach West-Berlin und dokumentiert in Texten tausenden Fotos die schwule Subkultur.
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