Torsten Pötzsch kommt nicht zur Ruhe. Als Oberbürgermeister von Weißwasser im sächsischen Landkreis Görlitz hat er alle Hände voll zu tun. Ob Planungstreffen mit Investoren oder Gäste aus Korea, lokalpolitische Gremiensitzungen oder Händeschütteln mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung, Pötzsch setzt sich ein, wo und wie er kann. Dazu gehört auch, mit den Menschen im Ort im permanenten Austausch zu sein. "Abgehängt und vergessen," sagt er, so fühlen sich heute viele der Dagebliebenen. Zu DDR-Zeiten florierte in Weißwasser die Glasindustrie, und die Kohlekumpel in der Lausitz waren die Größten. Doch nach der Wende ging es steil bergab. Die Treuhand kam und hat den Lichtschalter ausgemacht. Arbeitslosigkeit und Abwanderung waren die Folge. Nun steht die Bevölkerung in der traditionellen Bergbauregion durch den geplanten Kohleausstieg spätestens 2038 vor dem nächsten Mammutproblem.

Britt Beyers Dokumentarfilm zeigt, wie sich Pötsch dafür stark macht, dass aus der Tragödie der letzten 30 Jahre eine Erfolgsgeschichte wird. Die alten Glasfabrikhallen hat er bereits in eine Kulturstätte umgewandelt. Die Kohlekumpel kämpfen derweil für ihre Existenz. Nebenan in Mühlrose erzählen die Bewohner*innen, wie sie im Osten mit dem Tagebau vor der Tür lebten, als der feine schwarze Staub durch jede Ritze drang. Jetzt sollen sie umgesiedelt werden, weil unter ihren Häusern Braunkohle liegt. Eine Umweltaktivistin aus Cottbus stellt sich dagegen. Sie hat Verständnis für die Ängste der Kumpel, aber Klimaschutz geht nun mal vor.

Beyer hört den Menschen zu, nimmt ihre Argumente und Bedenken ernst und beobachtet genau. AUF DER KIPPE ist eine Bestandsaufnahme des fortschreitenden Strukturwandels, die auf die akuten Gefahren für die Bevölkerung und das Klima aufmerksam macht.

Pamela Jahn