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Asteroid City

Existentialistisch niedlich

Bei all seinen existenzialistischen Überlegungen ist ASTEROID CITY eine süße und durch und durch optimistische Liebeserklärung an eine Version der 1950er, in denen im Weltraum und der Atomkraft noch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft steckte und alles, ja wirklich alles, aus einem Automaten gekauft werden konnte.

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Wes Anderson macht in einer Konsequenz, die vielleicht nur mit der von David Lynch vergleichbar ist, Filme für sich selbst und ein Publikum, das seiner Ästhetik und seinen schrulligen Geschichten und Charakteren schon verfallen ist.

Wie schon in den vorherigen Filmen ist die Handlung eine Matroschka aus ineinander verschachtelten Ebenen: Die Kamera blickt auf die Aufzeichnung eines Fernsehbeitrags über die Entstehung eines Bühnenstücks und die Schwierigkeiten und Hindernisse, die dabei bis zur Premiere überwunden werden mussten, aber der Kern der Filmhandlung ist der Plot des Theaterstücks selbst. Die Requisiten werden während des Vorspanns per Frachtzug angeliefert, und die Kamera vermeidet jede laterale Bewegung, die verraten könnte, dass diese ganze Welt eigentlich nur eine Pappmacheefassade ist.

Im Kern handelt der Film von Zusammenkunft verschiedener Personen im Jahre 1955 in einer kleinen Wüstenstadt anlässlich des Festivals zum Jahrestag des Meteoriteneinschlags, der der Stadt den Namen gab. Der Höhepunkt soll ein seltenes Sternenereignis sein, und nebenbei wird aus einer kleinen Gruppe Juniorwissenschaftler*innen der oder die Beste ausgewählt werden. Für sie ist es eine Chance, unter ähnlich nerdigen Altersgenossen zu sein, während ihre Eltern sich über das geteilte Gefühl, dass ihre Kinder alle etwas merkwürdig sind, austauschen können.
Alle Generationen verbindet, dass sie sich in ihrem Erdenleben verloren und entfremdet fühlen, und sich nichts so sehr wünschen wie, dass etwas in den Sternen ihnen einen Sinn gibt. Augie Steenbeck (Jason Schwartzmann) zum Beispiel leidet unter dem Tod seiner Frau und hat es bislang nicht einmal übers Herz gebracht, seinen Kindern davon zu erzählen, sehr zum Missfallen seines Schwiegervaters Stanley (Tom Hanks). Öffnen kann sich Augie nur gegenüber seiner Pavillonnachbarin, dem Filmstar Midge Campbell (Scarlett Johansson), die ihrerseits durch einen schmerzlichen Verlust die Orientierung verloren hat. Als dann aber bei der Zeremonie ein Alien (Jeff Goldblum) unerwartet auftaucht, sorgt dies statt für einen sinnstiftenden Impuls erstmal nur für einen Lockdown auf Anweisung des Präsidenten, Verwirung und Sinnsuche. Aber zum Glück kann man sich in diesem Fall ja an den Autoren oder den Regisseur des Stücks wenden, und wenn die auch nicht helfen können, findet sich einen Schritt weiter nach außen, vor dem Theater, vielleicht doch noch jemand, der oder die etwas Hilfreiches sagen kann. Oder man macht sich keinen Kopf und schaut einfach, was als Nächstes passiert. Früher oder später wird sich das Problem schon von selbst lösen.

Denn bei all seinen existenzialistischen Überlegungen ist ASTEROID CITY eigentlich eine süße und durch und durch optimistische Liebeserklärung an eine Version der 1950er, in denen im Weltraum und der Atomkraft noch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft steckte und alles, ja wirklich alles, aus einem Automaten gekauft werden konnte. Getragen wird der Film von einer spektakulären Besetzung aus Leuten, die schon in diversen Anderson-Filmen waren (Tilda Swinton als verwirrte Astronomin) und solchen, die ab jetzt hoffentlich in weiteren auftauchen werden (Steve Carell als unerschütterlicher Hotelmanager). Und weil es eigentlich auch nichts zu „Begreifen“ gibt außer der persönlichen emotionalen Resonanz, die Wes Andersons Filme oft hervorrufen, ist ASTEROID CITY ein cineastisches Geschenk, das ein wohliges Glücksgefühl in vielen Schattierungen verteilt.

Christian Klose

Details

USA 2023, 104 min
Sprache: Englisch
Genre: Komödie
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson, Roman Coppola
Kamera: Robert D. Yeoman
Schnitt: Barney Pilling
Musik: Alexandre Desplat
Verleih: Universal Pictures
Darsteller: Margot Robbie, Tom Hanks, Scarlett Johansson, Tony Revolori, Steve Carell, Tilda Swinton
FSK: 12
Kinostart: 15.06.2023

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IMDB

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