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Anne at 13,000 ft

Berlinale Forum: Zu dicht am Leben

Der kanadische Regisseur Kazik Radwanski hat ein sehr intimes Porträt und einer Frau gedreht, die keine Distanz und keine Langfristigkeit kennt. Anne will, was sie will, sofort.

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Berlinale Forum: Die Kinder in Annes Kita lieben sie. Keine geht so wie Anne auf ihre Spiele ein und erfindet selber welche. Anne (Deragh Campbell) kann Schmetterlinge zähmen und ein Spielzelt in ein Flugzeug verwandeln und sich alle verschiedenen Hai-Arten merken, die es gibt. Anne kann allerdings auch ungehalten werden, das bekommen vor allem die Erwachsenen zu spüren. Wenn etwas nicht so läuft wie Anne es möchte, bekommt sie schon mal einen Wutanfall. Oder sie bewirft die Kollegin, die ihr mehrfach gesagt hat, dass heiße Getränke in der Kita nicht erlaubt sind, mit dem leeren Pappbecher und sagt „Ich will doch nur Spaß machen“. Das Ding mit Anne ist, das der Spaß jederzeit kippen kann.
Der kanadische Regisseur Kazik Radwanski hat ein sehr intimes Porträt und einer Frau gedreht, die keine Distanz und keine Langfristigkeit kennt. Anne will, was sie will, sofort. Den Ort, an dem sie sich am glücklichsten fühlt, hat sie bei einer Jungesellinnen-Party entdeckt: Beim Fallschirmspringen, noch bevor der Fallschirm aufgeht, wenn es nichts zu verhandeln und keine anderen Leute gibt, sondern einfach nur Raum und Gegenwart. Wenn sie die Kolleginnen mit den Ansprüchen, die sorgende Mutter, sich selbst, zurücklassen kann.
Sicher ließe sich eine psychische Störung oder eine Art Entwicklungsverzögerung bei Anne diagnostizieren, aber Radwanski geht es nicht um Diagnose oder Therapie. Es geht ihm darum, in Annes Welt einzutauchen. Die Kamera ist ständig in Bewegung, ebenso wie Anne, die nie dasitzt und reflektiert sondern immer agiert und reagiert, handelt und fühlt und ungefiltert sagt was sie denkt. Und sie ist immer dicht dran an Anne und an den Menschen in Annes Umgebung, dichter als einem lieb ist. Wie Anne verletzt auch der Film ständig persönlichen Raum - den der Protagonist*innen, die er zumeist aus einem Abstand von unter einem Meter aufnimmt, und den der Zuschauer*innen, die diese Nähe aushalten müssen. Zu Dicht – so könnte man Annes Erfahrung mit der Welt beschreiben, und die Erfahrung der Welt mit Anne.

Hendrike Bake

Details

CDN/USA 2019, 75 min
Regie: Kazik Radwanski

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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