Anchor and Hope von Carlos Marques-Marcet ist ein schönes, unaufgeregtes Beziehungsdrama mit ruhiger Erzählweise und freundlicher Farbpalette. Alles wird begleitet vom Schlürfen des Hausboots, auf dem die Hauptfiguren leben, und das sich gemächlich durch die gumpigen Kanäle Londons schiebt (ich wusste gar nicht, dass es so viele gibt). Im Mittelpunkt steht das Pärchen Eva (Oona Chaplin) und Kat (Natalia Tena): Durch den Besuch von Kats Bruder rückt Evas Wunsch nach einem Baby (durch künstliche Befruchtung) in greifbare Nähe – eine Nähe, die Kat wiederum in Panik versetzt. Der Film geht sehr offen mit Sex und überhaupt mit Körperlichkeit um – das Ausleeren der Bootstoilette wird genauso gezeigt wie der hausgemachte Befruchtungsprozess. Die Charaktere - Hipster, artsy Londoner Künstler und Querköpfe – sind etwas klischeehaft gezeichnet. Trotzdem werden sie sehr einfühlsam porträtiert: Die Bedürfnisse von Eva stehen gleichberechtigt neben denen Kats, die zunehmend überfordert von der Art Commitment ist, das Eva von ihr fordert. Der Film buchstabiert das nicht aus, das Publikum erahnt Kats Agonie und ihr Bedürfnis auszubrechen lediglich in ihren langen Stadtläufen. Auch die Rolle von Kats Bruder als Samenspender, der damit natürlich unfreiwillig ebenfalls emotional involviert wird, bekommt Raum.
Zum großartig gewählten Cast, der den etwas eindimensionalen Figuren Konturen verleiht, gehört nicht zuletzt Geraldine Chaplin, die als Evas Hippie-Mutter wunderbar mit ihrer Tochter zusammenspielt. Begleitet wird das Ganze u.a. von Chansons von Molly Drake („Little Weaver Bird“ oder „Love Isn’t a Right“), die dem Film einen netten Vintage-Touch verleihen und das moderne Beziehungsdramas mit einer irgendwie passenden altmodischen Ästhetik anreichern.

Manon Scharstein