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1986 – Der Film

Schmuggeln in Tschernobyl

Die Studentin Elena übernimmt die Schmuggelgeschäfte ihres Vater, der illegal Rohstoffe aus der verbotenen Zone in Tschernobyl ausschlachtet.

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„Das ist 1986“ sagt ein Schmuggler und zeigt auf einen gefällten Baumstamm, deren Ringe alle ab einer bestimmten Linie die Farbe wechseln. „Nach Tschernobyl hat sich der Wald plötzlich rot gefärbt.“
Für die weißrussische Geschichte ist 1986, das Jahr des Reaktorunglücks in Tschernobyl, fast genauso wichtig wie 1991, als sich die Sowjetunion auflöste. Obwohl Tschernobyl in der benachbarten Ukraine liegt, ist fast 70% des radioaktiven Fallouts auf Weißrussland heruntergegangen, ein Viertel des Landes wurde verseucht. Als 1994 Lukaschenko zum Präsidenten gewählt wurde, heute ‚der letzte Diktator Europas‘, war die Instandsetzung der radioaktiven Zone sein größtes Wahlversprechen.
Davon ist, so zeigt uns 1986, heute nicht viel zu sehen. Während die Ukraine die Zone immerhin als Ausflugsziel für ruinenhungrige Katastrophentourist*innen kapitalisiert, werden im weißrussischen Teil vor allem illegal Rohstoffe ausgeschlachtet.
Ein Schmuggler dieser Rohstoffe war auch der Vater von Elena, der dafür nun im Gefängnis sitzt – und die Studentin und ihre apathische Mutter mit Schulden zurücklässt. Hinzu kommen eine recht ungesunde Liebesbeziehung und ein Gefühl von Sinnlosigkeit angesichts eines Studiums, in dem die Professorin zweifelhafte Statistiken über den wirtschaftlichen Erfolg Weißrusslands mitschreiben lässt.
Dass Elena anfängt, die Schmuggelgeschäfte ihres Vaters zu übernehmen, ist daher ebenso der Not wie der Sehnsucht geschuldet – nach was, erfahren wir in Lothar Herzogs kühlem Regiedebut nicht. Die Zone ist kein Symbol der Verheißung wie in Tarkovkijs STALKER und auch keine surreale Erfahrung einer Umkehrung der natürlichen Ordnung wie in Garlands ANNIHILATION. In 1986 ist die Zone die erdrückende Realität in einer zerfallenden Diktatur, die im letzten Jahr wieder das erste Atomkraftwerk gebaut hat.

Yorick Berta

Details

Originaltitel: 1986
Deutschland/Belarus 2019, 77 min
Sprache: Russisch
Genre: Drama
Regie: Lothar Herzog
Drehbuch: Lothar Herzog
Kamera: Philipp Baben der Erde
Schnitt: Lothar Herzog, Stefanie Kosik
Musik: Fabian Saul, Rafael Triebel
Verleih: déjà-vu film
Darsteller: Daria Mureeva, Evgeni Sangadzhiev, Vitali Kotovitski, Helga Filippova, Aleksei Filimonov
Kinostart: 09.09.2020

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Vorführungen

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