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Perfect Days

Beiläufig, angekommen

Hirayama, ein Toilettenreiniger in Tokio, führt ein einsames, aber zufriedenes Leben der Routine. Er steht auf, wäscht sich, zieht seinen Blaumann an und lächelt den Himmel an, bevor er zur Arbeit fährt.

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Mit PERFECT DAYS kehrt Wim Wenders zum Beginn seiner Filmarbeit zurück. PERFECT DAYS hat viele Parallelen zu Wenders erstem Spielfilm SUMMER IN THE CITY (1970), der außerhalb von Festivals nicht gezeigt werden darf, weil Wenders keine Lizenzen für den Popsoundtrack erworben hatte. In beiden Filmen geht es um einsame Männer, die offenbar eine traurige Vergangenheit haben, die sie an einen bestimmten Ort geführt hat – in SUMMER IN THE CITY nach Berlin, ziellos herumstreifend, in PERFECT DAYS nach Tokio, Toiletten putzend – von der aber im Film fast nichts erzählt wird. In SUMMER IN THE CITY läuft Hans (Hans Zischler) zum titelgebenden Song von The Lovin‘ Spoonful am Landwehrkanal entlang, in PERFECT DAYS fährt Hirayama (Kôji Yakusho) mit einem Kleinlaster durch Tokio, während er Songs von Lou Reed, The Animals, Otis Redding, The Kinks, Van Morrison und Nina Simone hört.

Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zwischen dem Film zwischen 1970 und dem von 2023: Hans in SUMMER IN THE CITY befindet sich, wie so viele von Wenders‘ Protagonisten, auf der Flucht. Hirayama scheint in seinem Leben als Toilettenreiniger angekommen zu sein. Er führt ein einsames, aber zufriedenes Leben der Routine. Er steht auf, wäscht sich, pflegt seine Sammlung kleiner Bäume, zieht seinen Blaumann an und lächelt den Himmel an, bevor er sich einen Dosenkaffee aus dem Automaten zieht und zur Arbeit fährt. Er putzt die öffentlichen Toiletten Tokios mit Hingabe und Präzision. Die Toiletten selbst sind spektakulär und mit einem Aufwand entworfen, der hierzulande bestenfalls Gedenkstätten, Bischofssitzen, Opernhäusern und Museen zuteil wird. Es gibt transparente Toiletten in schimmerndem Rot, Orange und Purpur, die opak werden, sobald die Tür abgeschlossen wird. Es gibt spiralförmige Hightech-Toiletten mit wunderbaren Schattenwürfen von Metalllamellen an der Außenseite. Es gibt Toiletten, die mit abgesägten Baumscheiben dekoriert sind, schöner als die repräsentativsten Luxushotels Berlins. In Wenders frühen Filmen – SUMMER IN THE CITY, ALICE IN DEN STÄDTEN und IM LAUF DER ZEIT – gab es diesen beiläufigen dokumentarischen Aspekt: eine Kamerafahrt den Kurfürstendamm entlang, Fahrten entlang der Wuppertaler Schwebebahn und durch die Arbeitersiedlungen der Stadt, durch das „Zonenrandgebiet“ zwischen Lauenburg und Lüchow. Hier kontrastiert das glamouröse öffentliche Gesicht Tokios – exemplarisch gezeigt an der Sorgfalt, mit denen die „niedrigsten“ Orte der Stadt entworfen sind, und mit der Hirayama sie putzt, mit Hirayama kleiner, verwinkelter Wohnung, mit der Garküche in einer heruntergekommenen U-Bahn-Station, mit einem alten Badehaus, in das er regelmäßig nach der Arbeit geht.

Während in der ersten halben Stunde des Films kaum ein Wort geredet wird und Wenders einfach Hirayamas Alltag begleitet – was faszinierend genug ist – führen später mehrere Begegnungen zu kleinen Episoden, die Hirayamas Charakter schärfer zeichnen. Sein junger Kollege hat ein Date mit einer jungen Barfrau. Weil sein Roller zusammenbricht, muss Hirayama die beiden fahren und hört mit ihnen Patti Smiths „Redondo Beach“, einen Song über den Selbstmord einer jungen Frau am Strand, erzählt aus der Perspektive ihrer Schwester oder lesbischen Freundin. Hirayamas Nichte sitzt plötzlich bei ihm auf der Treppe; sie ist von zu Hause weggelaufen. Ein Mann, den Hirayama in einer Umarmung mit der Wirtin des Bar-Restaurants gesehen, in dem er am Wochenende isst, spricht ihn am Fluss an, wo Hirayama ein Bier trinkt.

PERFECT DAYS ist (fast) eine Art Abschlussfilm zu Wenders‘ großem Thema der verlorenen Männer, die nach irgendetwas auf der Suche sind. Hirayama scheint da angekommen zu sein, wo er ist.

Tom Dorow

Details

Japan/Deutschland 2023, 123 min
Sprache: Japanisch, Englisch
Genre: Drama
Regie: Wim Wenders
Drehbuch: Wim Wenders, Takuma Takasaki
Kamera: Franz Lustig
Schnitt: Toni Froschhammer
Verleih: DCM Film Distribution
Darsteller: Kôji Yakusho, Arisa Nakano, Tokio Emoto, Yumi Aso, Tomokazu Miura
Kinostart: 21.12.2023

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Perfect Days

Japan/Deutschland 2023 | Drama | R: Wim Wenders | Interview

Hirayama, ein Toilettenreiniger in Tokio, führt ein einsames, aber zufriedenes Leben der Routine. Er steht auf, wäscht sich, zieht seinen Blaumann an und lächelt den Himmel an, bevor er zur Arbeit fährt.

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