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The Painted Bird

Gewalt als menschliche Universalie

Ein Sohn deportierter tschechischer Juden kämpft als Ausgestoßener und Verfolgter schon als Kind ums Überleben. Václav Marhouls Verfilmung des Romans von Jerzy Kosinski zeigt Gewalt als menschliche Universalie.

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In seinem Roman THE PAINTED BIRD von 1965 beschrieb Jerzy Kosińskis seine Erlebnisse als jüdisches Kind im von den Nazis besetzten Polen. Jedoch häuften sich bald Vorwürfe, die nicht nur den Realitätsgehalt von Kosińskis vermeintlich autobiografischer Erzählung, sondern auch seine Autorschaft anzweifelten.
In Václav Marhouls gleichnamiger Verfilmung von Kosińskis umstrittenem Roman ist es der Sohn deportierter tschechischer Juden, der als Ausgestoßener und Verfolgter schon als Kind ums Überleben kämpft. Der schweigsame Protagonist (mit stoischer Präsenz gespielt von Petr Kotlár) wird durch die systematische Judenverfolgung der deutschen Besatzer und den folkloristischen, ebenfalls tödlichen Antisemitismus der einheimischen Landbevölkerung immer weiter übers Land getrieben und immer wieder in das Hetzbild des ortlosen Juden gezwungen. Mit der an die Odyssee gemahnenden Irrfahrt gelingt dem Regisseur Marhoul eine luzide Analyse der Verflechtung verschiedener Elemente und Ausformungen des Antisemitismus. Gegliedert ist der Film durch die Begegnungen, die der Junge macht, mit Menschen die ihm helfen, die ihn ausbeuten oder ihn mental und körperlich misshandeln. Doch ist nicht alle Gewalt, die ihm entgegenschlägt, religiös oder politisch motiviert. THE PAINTED BIRD erzählt auch Geschichten der blanken Machtgier, der Eifersucht und der Lust an der Gewalt (sowie der Gewalt in der Lust). Die in Qualität und Quantität extrem fordernde Brutalität der Darstellung schafft es, Gewalt als menschliche Universalie zu zeigen und gleichzeitig die Spezifik des Antisemitismus zu bewahren.
So schonungslos diese Erzählung ist, so poetisch ist ihre Ausgestaltung: THE PAINTED BIRD ist ebenso schön wie quälend. Das Schwarz-Weiß erzeugt herbe Kontraste in Gesichtern und Landschaften und über dem Film liegt eine Atmosphäre des Übernatürlichen, die sich gelegentlich in der märchenhaften Symbolik einzelner Szenen und Figuren manifestiert. Marhoul entwickelt eine Form des magischen Realismus, die ungewohnt, aber der Unfassbarkeit der Shoah angemessen erscheint.

Yorick Berta

Details

Originaltitel: Nabarvené Ptace
Tschechische Republik/ Ukraine/ Slowakische Republik 2019, 169 min
Sprache: Tschechisch, Deutsch, Russisch
Genre: Drama, Kriegsfilm
Regie: Václav Marhoul
Drehbuch: Václav Marhoul
Kamera: Vladimir Smutný
Schnitt: Ludek Hudec
Verleih: drop-out Cinema
Darsteller: Petr Kotlár, Udo Kier, Stellan Skarsgård, Harvey Keitel, Barry Pepper, Julian Sands
FSK: 18
Kinostart: 09.09.2021

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