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Feature

Zwischen Verzweiflung und Optimismus: Jugend gegen Klimawandel

I AM GRETA, YOUTH UNSTOPPABLE und NOW

Gefühlt nimmt das Bewusstsein für die Allgegenwärtigkeit und Dringlichkeit der Klimakrise rasant zu. Fliegen ist schambehaftet, Plastiktüten kosten Geld und veganer Fleischersatz hat es in jeden Discounter geschafft. Gleichzeitig nehmen die CO2-Emissionen und die Übersäuerung der Ozeane immer weiter zu, die USA sind aus dem Pariser Abkommen ausgetreten und auch die Coronavirus-Pandemie wird nicht die erhoffte Wende bringen, weder in Hinblick auf den Flugverkehr noch beim Umstieg auf nachhaltige Wirtschaftsmodelle. Diese Pendelbewegung zwischen Optimismus und Verzweiflung findet sich auch in drei aktuellen Dokumentarfilmen. NOW, YOUTH UNSTOPPABLE und I AM GRETA thematisieren allesamt gegenwärtige Formen des Klimaaktivismus, unterscheiden sich aber stark in ihrem Zugang und ihrer filmischen Umsetzung.

NOW des Berliner Fotografen Jim Rakete thematisiert die größte Bandbreite aktivistischer Positionen. Die Sprecher:innen von Extinction Rebellion, Fridays for Future Germany, Plants for the Planet, Ende Gelände und den New Yorker Youth for Government kommen hier zu Wort. Aufgrund dieser großen Bandbreite und der generisch gutgelaunten Musikuntermalung fühlt sich NOW jedoch bisweilen an wie ein Werbeclip für Klimaaktivismus auf Spielfilmlänge. Die verschiedenen Positionen werden in einer Art aneinandergereiht, die keine Differenzen, sondern nur Gemeinsamkeiten zulässt und verschmelzen zu der einfachen Botschaft, dass sich gerade (now eben) viele junge Menschen auf vielfältige Art für das Klima einsetzen. Es obliegt den Sprecher:innen, wie Nike Mahlhaus von Ende Gelände, die harmlose Inszenierung des Films zu differenzieren: "I actually feel desperate quite a lot ... I think we could do better at finding a place for these negative emotions" („Ich bin eigentlich ziemlich oft verzweifelt … Ich finde, wir könnte besser dabei sein, einen Platz für diese negativen Gefühle zu schaffen.“)

Im Gegensatz zu NOW bietet YOUTH UNSTOPPABLE viel Raum für negative Emotionen. Der Film ist ein autobiografisches Langzeitprojekt der kanadischen Aktivistin Slater Jewell-Kemker und beginnt schon mit einer ernüchternden Aufnahme: 1992 steht die zwölfjährige Severn Suzuki vor den Vereinten Nationen und hält eine mahnende Rede, die Greta Thunbergs Wortgewalt schon sehr nahe kommt. Suzuki ist heute 40 und immer noch aktiv. Von dieser Rede im Geburtsjahr der Regisseurin aus folgen wir Slater auf ihrem aktivistischen Werdegang. Ihre unermüdlichen Aufnahmen von allen wichtigen Klimakonferenzen, die sie schon als Kind und bald auch als Sprecherin besucht, verbinden einen reflektierten Einblick in das Auf und Ab eines politischen Lebens mit dem naiven Charme einer Coming-of-Age-Geschichte. Auch hier verschwimmen die unterschiedlichen Zugänge zum Klimaaktivismus, jedoch nicht in der launigen Erzählung einer Jugend, die die Welt verändert, sondern in der subjektiven Sicht einer ebensolchen Aktivistin. So sehr die geschilderten Phasen von Verzweiflung und Resignation der Erzählerin Authentizität verleihen, so bemüht wirkt allerdings der Versuch, den Film zum Ende hin noch einmal in Richtung Optimismus pendeln zu lassen.

Auch I AM GRETA verspricht schon im Titel eine persönliche Erfahrung aus der Mitte der Klimabewegung. Der Blick der Kamera ist jedoch nicht der von Greta Thunberg selbst, sondern der zurückhaltende, unsichtbare Blick des Regisseurs und Kameramanns Nathan Grossman. Seit ihren ersten Schulstreiks im Herbst 2018 begleitet Grossmann Greta Thunberg auf ihren nervenzehrenden Reisen durch die Welt – immer in Begleitung ihres Vaters Svantje, der darauf achtgibt, dass die Trägerin des alternativen Nobelpreises über Ansprachen und Demonstrationen das Essen nicht vergisst. Grossmann partizipiert jedoch nicht an dem Voyeurismus, dem Thunberg mit zunehmender Popularität ausgeliefert wird und der sich zu erbsenzählerischen Bilanzierungen ihres persönlichen CO2-Verbrauchs oder übergriffigen Spekulationen über ihren Geisteszustand (alles nur Asperger) ausgewachsen hat. Grossmanns Blick bleibt einfühlsam und respektvoll. Er zeigt eine fragile Kämpferin, die so viel auf sich nimmt, dass sie sehr treffend mit Jeanne D'Arc verglichen worden ist.
Doch I AM GRETA zeigt noch mehr als das. Er zeigt, wieviel Energie die Pendelbewegung zwischen Hoffnung und Pessimismus in einer einzelnen Person freisetzen kann. Vor ihrer spektakulären Atlantiküberfahrt in einem Hochgeschwindigkeits-Segelboot sagt Thunberg: "I want to prove that it is possible to live sustainably today" („Ich will beweisen, dass es möglich ist heute nachhaltig zu leben“) – und kauert dann unglücklich in einer Ecke des hochtechnisierten Schiffes, auf das die Wellen einschlagen, starrt seekrank vor sich hin und spricht durch eine wasserfeste Handyhülle in ihr Tagebuch, bis sie in New York auf der bis jetzt größten Klimademonstration eine geschliffene Rede hält. Thunbergs Aktivismus ist ein Trotzdem: Sie zeigt nicht, wie einfach es ist, nachhaltig zu leben, sondern wie unmöglich. Und trotzdem zeigt sie es. Ihr Aktivismus ist nicht einer zynischen Nutzenkalkulation oder fröhlicher Verdrängungsarbeit geschuldet, sondern einem ethischen Imperativ des Handelns.

I AM GRETA verzichtet darauf, eine einfache Anleitung zum Weltverändern zu liefern. Wie NOW und YOUTH UNSTOPPABLE versetzt er trotzdem einen Stoß optimistischer Energie. Diese sinnvoll zu nutzen und nicht in die Erkenntnis der eigenen Ohnmacht zurückzufallen, bleibt uns allerdings selbst überlassen.

Yorick Berta