Feature
WORAUF WIR UNS IM KINOJAHR 2019 FREUEN
Autor*innen & Kinobetreiber*innen über ihre Favoriten
Wir haben uns umgehört und unsere Autor*innen und die Berliner Indiekino-Betreiber*innen gefragt, worauf sie sich – filmisch gesehen – im Jahr 2019 freuen:
THE NIGHTINGALE
Jennifer Kent hat nach THE BABADOOK eine Rachegeschichte aus dem kolonialen Tasmanien gefilmt, für die sie in Cannes begeisterte, aber auch verstörte Kritiken und wüste Beschimpfungen erhalten hat. Auf imdb.com tobt eine Kulturschlacht zwischen 10-Sterne-Hymnen und 1-Sterne-Verfluchungen wie dieser: „Nichts als eine feministische Machtphantasie: Männer verletzen, weil sie böse und unterdrückerisch sind.“ Klingt gut.
Tom Dorow
FIRST COW
Eigentlich sollte wohl CHAOS WALKING von Doug Liman der Film sein, auf den ich mich am meisten freue – dank absurder dystopischer Story, angesiedelt in meiner Lieblingskinozeit: der Zukunft! Oder der neue Film von Jim Jarmusch (Tilda Swinton! Adam Driver! Bill Murray! Zombies!). Stattdessen wird es aber wieder Kelly Reichardt sein, die mich mit einem zu Ende des 19. Jahrhunderts spielenden Film namens FIRST COW völlig unaufgeregt am meisten berühren wird.
Katharina Franck
BERLIN ALEXANDERPLATZ
Eine moderne Adaption des Döblin-Romans mit einem ebenso einfachen wie brillanten Dreh: Franz Biberkopf heißt hier Francis und ist Migrant aus Afrika, der in Berlin strandet, von Reinhold verführt wird, der in der Hasenheide Drogen vertickt, und dort auch seine rettende Mieze kennenlernt. Inszeniert wird das von Burhan Qurbani als epischer Film über Schuld und Moral und wird hoffentlich schon im Februar auf der Berlinale zu sehen sein.
Michael Meyns
WILDLIFE
Auf der Leinwand liebe ich Paul Dano. Kaum ein Schauspieler vergräbt sich so sehr in seinen Rollen. Dass Dano in seinem Regiedebüt nicht selbst vor der Kamera steht, ist dann auch der einzige Wermutstropfen an WILDLIFE. Jake Gyllenhaal spielt einen Familienvater, den die Arbeitslosigkeit seiner Männlichkeit beraubt, während seine Frau (Carey Mulligan) beginnt, sich von ihm zu emanzipieren. Danos Adaption des Romans von Richard Ford ist ein glänzend beobachtetes Ehedrama in den 60ern. Start im April.
Lars Tunçay
THE OLD MAN AND THE GUN
Mit Robert Redford verlässt ein großes Vorbild die Schauspielbühne. Stattliche 82 Jahre ist er mittlerweile alt und blickt auf eine Schauspielkarriere zurück, die beinahe 60 Jahre umfasst. Da kann jemand wie er durchaus schon mal ans Aufhören denken, und genau das tut er auch: THE OLD MAN AND THE GUN, Redfords letzter Film, startet am 28.3. und selbstverständlich auch bei uns.
Kino Union
ICH WAR ZUHAUSE, ABER
Gerade als bekanntgegeben wurde, dass der neue Film von Angela Schanelec mit dem tollen referenziellen Ozu-Titel im Wettbewerb der Berlinale laufen wird, stieg eine Freude in mir auf. Ein Gefühl, dem der Film in der Regel nicht gewachsen ist. Was keineswegs an seiner Erzählkunst liegt, sondern an der übersteigerten Erwartungshaltung. Die wunderbaren Filme Angela Schanelecs scheitern an meiner Achtung zu ihnen.
Michael Schmitz
HIGH LIFE
Ein Babyfon funkt ins All. Schöne Körper schweben in der Unendlichkeit. Die Jurypräsidentin der kommenden Berlinale läuft in kultischer Verzückung mit einer Pfütze aus Robert Pattinsons Sperma durch ein Raumschiff, das sich in lustvoller Passivität auf ein schwarzes Loch zubewegt. HIGH LIFE, Claire Denis‘ queerster Film seit BEAU TRAVAIL, lässt Begierde und Aggression im bedeutungslosen Raum schweben und interessiert sich in seiner Erregung kein bisschen für die Zukunft.
Jan Künemund
IRON SKY 2
Im März 2019 kommt endlich eine zweite Portion der Nazis-im-Weltall-Groteske. Diesmal klingt sie wie ein Roman von Jules Vernes: „Nazis auf der Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Das Publikum kann sich erneut auf einen hanebüchenen, aber lustigen Kampf gegen das Deutsche Reich 3.0 freuen, in dem kein noch so alberner Naziwitz ausgelassen wird, und Hitler anstelle von Durchhalteparolen Bruce-Willis-Sprüche kloppt.
Manon Scharstein
SPREELAND. FONTANE
Trotz oder wegen allen Rummels zum Fontanejahr, ein Schriftsteller lässt sich weiter nur durch die Beschäftigung mit seinem OEuvre entdecken. Für Bernhard Sallmanns SPREELAND.FONTANE wählte der Regisseur zeitgenössische Märkische Landschaften und Töne als Echoraum für die sorgsam ausgewählten Texte des Autors. Sein Film ist schönste Herausforderung zur Auseinandersetzung mit dem historischen Werk und der Welt damals und heute. Start im März.
Kino Krokodil
THE LAST THING HE WANTED
Nach ihren ersten beiden Spielfilmen PARIAH und MUDBOUND darf man Dee Rees getrost zu den spannendsten Filmemacher*innen des jungen amerikanischen Kinos zählen. Ihr dritter dürfte nun auch der bislang hochkarätigste werden, hat sie sich doch Joan Didions Roman „Nach dem Sturm“ als Vorlage genommen und mit Anne Hathaway und Willem Dafoe besetzt. Klingt unerwartet und genau deswegen spannend.
Patrick Heidmann
IN FABRIC
2019 bringt Peter Strickland endlich wieder einen Film raus. Dass ich mich mal auf einen Stoff über Schneiderei freuen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Aber IN FABRIC handelt von einem verfluchten Kleid und sieht wieder nach einem sinnlichen Alptraum sondergleichen aus! Mit Gwendolyne Christie und einem weird and kinky 70er-Soundtrack! Peter, komm und kleide meine Augen!
Christian Klose
PETERLOO
Vergessene Geschichten werden interessant durch den Blick, den ein interessanter Erzähler auf sie richtet. PETERLOO von Mike Leigh erzählt von einem vergessenen Massaker an britischen Demokratie-Vorkämpfern und wird sich vermutlich eher auf Parallelen zur Gegenwart konzentrieren als in Gewalt schwelgen. Mike Leigh hat jedenfalls noch nie einen uninteressanten Film gemacht. Susanne Stern
AVENGERS: ENDGAME
Ja, auch als Indiekino-Liebhaber braucht man ab und zu eine gesalzene, respektive süße Portion an Mainstream-Popcorn: Ich freue mich auf AVENGERS: ENDGAME, angekündigt für den April. Zumal nach Sichtung des tollen, ganz ohne eine einzige Actionszene auskommenden Trailers.
Matthias von Viereck
BEALE STREET
Barry Jenkins hat eine Geschichte von James Baldwin verfilmt und dafür Bilder gefunden, die der gleichzeitig reellen und poetischen Sprache von Baldwin gerecht werden. Mehr noch als bei MOONLIGHT sieht man in den warmen kräftigen Farben und im Zigarettenrauch, der durch den Abend schwebt, ein großes Vorbild Jenkins durchschimmern: Wong Kar-Wai. Und um unerfüllte Liebe geht es auch. Start im März.
Hendrike Bake
UNTITLED WARNER BROS. LOCAL PRODUCTION
Vor drei Wochen noch war für einen Januar-Kinostart angekündigt: UNTITLED ROBERT ZEMECKIS PROJECT – eindeutig und doch geheimnisvoll – wunderbar! Inzwischen auf März verschoben, wurde auch der Titel geändert. Aber ganz ehrlich: WILLKOMMEN IN MARVEN will ich eigentlich eher nicht sehen. Dafür im Mai: UNTITLED BLUMHOUSE PRODUCTIONS PROJECT. Im Juni: UNTITLED DANNY BOYLE PROJECT und UNTITLED JAMES MANGOLD. Gut, das UNTITLED FAST & FURIOUSE SPIN-OFF lassen wir weg, aber später, im Oktober: UNTITLED TERMINATOR, UNTITLED BORA DAGTEKIN PROJECT, dann noch UNTITLED KINGSMAN MOVIE, UNTITLED WARNER BROS. LOCAL PRODUCTION etc. – ich hoffe, die werden nicht noch umgetitelt. Dann geh ich rein! Ich liebe Überraschungen.
Harald Mühlbeyer