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Berlinale XIII: Fake News, journalistische Integrität und der Preis der Wahrheit

Wettbewerb: MR. JONES

Mit DIE SPUR gewann die polnische Regisseurin Agnieszka Holland 2017 den Silbernen Bären. Zwei Jahre später ist sie wieder in Berlin und bringt die intensiv inszenierte Geschichte eines außerhalb Wales wenig bekannten Helden mit. Der MR. JONES des Titels war Gareth Jones, geboren 1905, ein walisischer Journalist, der 1933, teils durch Glück, aber hauptsächlich durch persönlichen Einsatz, ein exklusives Interview mit Hitler führen konnte und schon nach diesem Gespräch vermutete, dass die Machtübernahme nichts Gutes für den europäischen Frieden bedeuten würde. Als politischer Berater des Premierministers erfuhr er viel über die Veränderungen auf dem Kontinent. Vor allem wollte er aber wissen, wie es Stalin geschafft hatte, die UdSSR mitten in einer globalen Finanzkrise in ein Land zu verwandeln, in dem alle wirtschaftlichen Bereiche florierten. "

Über einen befreundeten Kollegen bekommt er eine erste Verbindung in die Moskauer Korrespondentenszene, aber als Gareth in der Hauptstadt ankommt, ist sein Freund schon bei einem mysteriösen Überfall erschossen worden und das zugewiesene Hotel nicht mehr so gastfreundlich. Andererseits kann es sich Gareth, solange er in Moskau bleibt, bei den Parties/Orgien des Presse-Kingpin der Stadt Walter Duranty (im wahren Leben ein enger Freund von Aleister Crowley) gut gehen lassen. Nur zu viele Fragen sollte er nicht stellen, oder versuchen, sich selbst ein Bild von der Ukraine zu machen, für die sich sein Freund vor seinem Tod sehr interessierte. Aber natürlich tut Jones genau dies und findet dort eine verheerende Hungersnot vor, die im krassen Kontrast zum öffentlichen Image des stalinistischen Staats steht.

Was als Historienkrimi mit kräftigen Farben und stimmungsvollem Licht beginnt, wird schon vor der Episode in einer monochrom gefrorenen, menschenleeren Ukraine zu einer Parabel über Fake News, journalistische Integrität und den Preis der Wahrheit, blüht aber erst im letzten Drittel voll auf.Die Drehbuchautorin Andrea Chalupa hat Jones‘ wahre Geschichte mit den Erinnerungen ihres ukrainischen Großvaters angereichert, und durch eine Verbindung zu George Orwells „Animal Farm“ illustriert. Dadurch verweist der Film auf mehr als ein Stück sowjetische Geschichte, und wird selbst zu einer Parabel, in der man Anspielungen auf moderne Veränderungen auf der ganzen Welt wiederfindet. So technisch perfekt und scheinbar gefällig die Produktion auch daherkommt, sie macht vor allem Lust darauf, mehr zu erfahren über die größeren Zusammenhänge, die Epoche, und diesen MR. JONES.

Christian Klose