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Berlinale XIII: Computerdesktop-Thriller

Panorama Special: PROFILE

Timur Bekmambetov hat sich mit effektlastigen Actionkrachern wie WANTED, WÄCHTER DER NACHT und ABRAHAM LINCOLN, VAMPIRE HUNTER einen Namen gemacht. Trotzdem erscheint es passend, dass sein neuer Film komplett auf einem Computerdesktop spielt. Der Film beruht auf der wahren Geschichte einer Reporterin, hier Amy genannt, die sich im Internet als europäische Konvertitin zum Islam ausgab und so den Kontakt zu Bilel, einem englischstämmigen, heiratswilligen IS-Kämpfer sucht, um über das Erlebnis eine Reportage zu schreiben. Hier kommen die Standardelemente wie finanzieller Druck, der das Abliefern der Reportage für Amy besonders wichtig macht, ihr eifersüchtiger Freund und eine Chefredakteurin, die die Frage stellt, ob Amy vielleicht zu tief in die Reportage eintaucht und mehr für Bilel empfindet, als sie sollte. Interessant wird das alles dadurch, dass sich Amy einige Fehler leistet, die einer erfahrenen Reporterin bei aller Nervosität nicht passieren sollten. Der Film legt Fährten für Wendungen aus, löst aber nicht alle ein, und schon gar nicht dann, wenn man sie erwartet, was den Zuschauer ein wenig an Amys Unsicherheit teilhaben lässt.
Der Gimmick des Filmes funktioniert besser als man es erwarten würde. Amy hat zwar die Möglichkeit, mit sich selbst zu sprechen, drückt ihre Gedankengänge aber neben den Skype-Gesprächen und Instant Messages größtenteils über Notizen, Internetvideos und Suchanfragen aus. Da der Film auch nicht in Echtzeit stattfindet, sondern immer wieder Zeitsprünge beinhaltet, erzählt sich die Geschichte im Prinzip wie die moderne Version eines Briefromans bzw. Found-Footage-Films. Und wenn sie der Skype-Klingelton jetzt schon in Panik versetzt, weil es Mutti sein könnte, werden Sie nach dem Film ein noch verstörenderes Verhältnis dazu haben.

Weitere Vorstellungen:
Do 22.02. um 20:00 im International
So 25.02. um 19:00 im Zoo Palast 1

Christian Klose