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BERLINALE XII: Etwas zerbricht

Forum: BAIT

An BAIT wirkt alles alt. Das Bild ist auf körnigem 16mm-Schwarzweißfilm gedreht, der in einer Weise springt und zerkratzt ist, die man nicht mit Computern simulieren kann. Die Häuser und Menschen des Küstenorts in Cornwall sehen so aus, wie sich das gehört, wenn man schon sehr lange von Schifffahrt und Fischfang lebt, und die merkwürdigen Pausen zwischen den Sätzen, liegen vielleicht am Schnitt oder an einer Art des Schauspiels, die schon lange aus der Mode ist. Das Dorf wirkt wie aus einer anderen Zeit oder Realität. Wo lag Summerisle nochmal?
Andererseits sind die Hosen, die die Tochter der neuen Besitzer des alten Fischerhauses trägt, modern eng, und die Eltern setzen alles daran, das Haus in maritim-süßen Charme zu renovieren. Auf sowas stehen Sommergäste. Die Ausrüstung, die Fischer-ohne-Boot Martin nutzen muss, ist dafür rostig oder wurde schon oft geflickt oder beides. Aber dann macht er das eben. Den Teufel wird Martin tun und betrunkene Junggesellenabschiede herumschippern wie sein Bruder. Martin ist und bleibt stolzer Fischer. Bald wird er das Geld für sein Boot zusammenhaben, und bis dahin lässt er sich nichts gefallen. Das werden die Eindringlinge aus London schon noch begreifen.
- Martin starrt auf das Haus. Das Bild zittert und flackert kurz. Etwas zerbricht und zeigt ein Bruchstück einer Tragödie, die noch kommt oder schon war. Das Bild stabilisiert sich. Martin starrt aufs Haus. Das passiert in letzter Zeit öfters.

BAIT ist ein Kunstfilm, der soziale Realität zeigt. Gentrifizierung ist eine Realität, genau wie der Widerwille der Alteingesessenen, ihr altes Leben einfach so aufzugeben. Anstatt, dass Charaktere aber viel reden und erklären, lässt Mark Jenkin den wortkargen Fischer und die zugezogenen Londoner, die seine Mätzchen schon etwas über haben, immer kurz aneinander geraten und dann ihre Pläne weiterverfolgen. An die fragmentierte Bildsprache und Erzählweise muss man sich zuerst gewöhnen, aber dann öffnen sich dadurch Ebenen, die mit konventionellen Mitteln wesentlich mehr Aufwand benötigen würden. Natürlich nur, wenn man sich mehr Aufwand vorstellen kann, als einen 88-minütigen Spielfilm von Hand zu entwickeln, wie in alten Zeiten.

Mi, 13.2., Cinestar 8, 16.30 Uhr
So, 17.2., CineMaXX 6, 14.30 Uhr

Christian Klose