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Berlinale X: Moderner Briefroman mit Twist

Berlinale Spezial: CELLE QUE VOUS CROYEZ

Jurypräsidentin Juliette Binoche spielt Claire, eine Literaturprofessorin um die 50, die sich darüber, von ihrem Toyboy unzureichend emotional unterstützt zu werden, hinwegtröstet, indem sie auf Facebook mit seinem WG-Genossen Alex anbandelt. Weil ihr ihre Schönheit aber wichtig ist, behauptet sie, die 24-jährige Clara zu sein. Die Bilder dafür liefert ihre hübsche Nichte und Alex ist sofort Feuer und Flamme, was Claire einen inneren zweiten Frühling erleben lässt. Sie tanzt wild, masturbiert beim Telefonsex im Auto und sagt ihrem Exmann mal gehörig die Meinung. Leider wird es alles kein gutes Ende nehmen, das signalisiert schon die Rahmenhandlung - eine Sitzung mit Claires inzwischen schon zweiter Therapeutin. Diese Rahmenhandlung rettet den Film in einem gewissen Maße. Claire erscheint zuerst eitel, unsicher, selbstgerecht und handelt im Laufe der Geschichte so manipulativ, dass mir der Gedanke kam, an diesem Film wäre ein wirklich guter Psychothriller verloren gegangen. Eine Art ein moderner Briefroman mit explizitem Verweis auf „Gefährliche Liebschaften“, wird immer klarer, dass Claire ihrer Therapeutin nicht die ganze Wahrheit erzählt. Gegen Ende gibt es vielleicht einen Twist zu viel, aber insgesamt bietet der Film mehr als nur eine weitere Gelegenheit, Mme. Binoche dabei zuzusehen, wie sie eine gewohnt fundierte Schauspielleistung abliefert.

Christian Klose