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Feature, Festivals

Berlinale VII: Zum Beispiel das Baby-Ding

Perspektive deutsches Kino: RÜCKENWIND VON VORN

Da ist zum Beispiel das Babyding. Alle gehen davon aus, dass das jetzt der nächste Schritt ist. Gerry, der beste Freund und Kollege in der Schule, an der Charlie arbeitet, unkt „Fünf Jahre zusammen. Da müsst ihr euch mit Fernreisen aber beeilen.“ Die Quasi-Schwägerin macht Propaganda „Das wäre so schön, da wäre unser dann zwei Jahre alt, das wäre perfekt“, und Charlies Freund Marco hat ihren Zyklus besser im Blick als sie. Er bietet auch schon mal großzügig an, den Neffen zu babysitten und übergeht Charlies Einwände „du brauchst dich gar nicht zu kümmern, ich mach das“. Ja klar.
In RÜCKENWIND VON VORN erzählt Philipp Eichholtz (LUCA TANZT) von Charlie, einer Berlinerin Mitte Zwanzig, deren Leben gerade anfängt, feste Formen anzunehmen. Allzu feste Formen. Mit jedem Dreh der Schraube wächst Charlies Widerstand. Sie wiegelt ab „Ich plane erstmal gar nichts“, lächelt gequält, nimmt die Pille heimlich weiter und plant eine Reise nach Südkorea, wo die beste Freundin gerade unterwegs ist. Einer Konfrontation geht sie aus dem Weg. RÜCKENWIND verfolgt die Entwicklung dieses Unwohlseins von einer vagen, kaum bewussten Genervtheit zu einem unübersehbar klaren Gedanken, der Entscheidungen mit Konsequenzen erfordert. Wie immer arbeitete Eichholtz beim Dreh mit einem flott hingehauenen Drehbuch, viel Improvisation und wenig Geld. Nicht umsonst heißt seine Produktionsfirma „Von Oma gefördert“. Das schnell geschriebene Drehbuch merkt man, dafür aber fängt RÜCKENWIND in seinen besten Momenten eine schöne Alltäglichkeit ein. Charlie mit ihren vagen, unausgesprochenen Wünschen und Marco, der sich bequem in der Beziehung eingerichtet hat und gar nicht versteht, was los ist, könnten Nachbarn sein. Alltäglich geht Eichholtz auch mit den großen Fragen um: Familienplanung ja oder nein? Aufbruch oder Dableiben? Möglicherweise geht es dabei gar nicht um das ob, sondern um das wie.

Ab 15. März im Kino

Toni Ohms