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Zwei Herren im Anzug

Sittenbild des 20. Jahrhunderts

Wuchtig, übervoll und etwas konfus folgt ZWEI HEREN IM ANZUG einer bayerischen Wírtshausdynastie über den Verlauf des 20. Jahrhunderts.

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Für Josef Bierbichler muss dieser Film, den der Schauspieler nach seinem lose autobiografischen Heimat-Roman „Mittelreich“ inszenierte, für den er das Buch schrieb und in dem er auch noch zwei Hauptrollen übernimmt, eine Herzensangelegenheit gewesen sein. Bierbichlers zweiter Film als Regisseur, 30 Jahre nach seinem wenig beachteten Regiedebüt TRIUMPH DER GERECHTEN, nimmt sich viel vor. Sehr viel, muss man sagen, denn es geht um nicht weniger als um Deutschland im 20. Jahrhundert. Der Zeitraum der Erzählung reicht von 1914 bis 1984. Vom Ersten Weltkrieg über die Weimarer Republik, den Aufstieg Hitlers und die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, bis zu Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder spannt sich der Handlungsbogen, der in einem Wirtshaus in Bayern zu beobachten ist. Hier wächst der Pankraz auf, träumt von einer Karriere als Sänger, muss sich aber nach dem Krieg und dem Tod des Bruders in die Rolle des Wirts fügen. Er hasst seine eingeengte Existenz, trotz Frau und Sohn, dem er in der Gegenwart von seinem Leben erzählt. Lange Rückblenden strukturieren die Erzählung, anfangs noch in Schwarzweiß gefilmt, so als wäre man in Edgar Reitz „Heimat“, später in Farbe, ein recht willkürlicher Sprung - so wie vieles in diesem überbordenden, übervollen Film nicht recht durchdacht wirkt. Bierbichler will alles erzählen, ein Sittenbild aufziehen, ein Zeitpanorama malen, das von sexuellem Missbrauch in der Kirche ebenso handelt, wie von Inzest, Generationenkonflikten und persönlichen Enttäuschungen. Das ist wuchtig und archaisch, doch nur selten aus einem Guss. Bierbichler reiht ein Panoptikum von Gestalten aneinander und bedient sich mal surrealer, mal fantastischer Momente, die mit dem meist vorherrschenden Realismus kollidieren. Das Ergebnis ist oft eindrucksvoll und von offensichtlicher Ambition getragen, auf Dauer aber auch fahrig und ermüdend.

Michael Meyns

Details

Originaltitel: Mittelreich
Deutschland 2018, 139 min
Genre: Drama, Historienfilm, Familiengeschichte
Regie: Josef Bierbichler
Drehbuch: Josef Bierbichler
Kamera: Tom Fährmann
Schnitt: Franziska Aigner
Musik: Timo Kreuser
Verleih: X-Verleih / Warner Bros
Darsteller: Josef Bierbichler, Simon Donatz, Martina Gedeck, Irm Hermann, Catrin Striebeck, Margarita Broich
FSK: 12
Kinostart: 22.03.2018

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