
Neue Notiz
Wo/Men
Die Tradition der Burrneshës
Hinter jedem der sechs Schicksale, denen die Filmemacherinnen mit viel Sympathie nachgehen, verbirgt sich sowohl eine bewegende Geschichte als auch eine beeindruckende Persönlichkeit.
Unabhängigkeit, sagt Lume, sei ihr das höchste Gut. Stark zu sein und frei. Arbeiten zu können, mit Tieren, auf dem Hof oder im Wald. Kommen und gehen, wie es ihr gefällt. Die junge Frau spricht langsam, wenn sie über ihren Alltag als Burrneshë spricht. In den langen Pausen dazwischen schaut sie nachdenklich aus dem Fenster, und man spürt in diesem Moment: Sie hat die Entscheidung, wie ein Mann zu leben, bisher nie wirklich hinterfragt. Und nie bereut.
Auch für Sanie war immer klar, wer sie sein würde. Auch sie ist der Tradition gefolgt. In ihrer Heimat sind die beiden Albanerinnen keine Seltenheit: Burrneshës, der Begriff steht für jene Töchter, Mädchen und Frauen, die innerhalb ihrer Familien aus den verschiedensten Gründen eine männliche Identität annehmen, meist schon lange bevor sie selbst ein Gefühl für das eigene Geschlecht entwickeln. Manchmal erst später, weil sie geschieden oder alleinerziehend sind. Haben sie sich erst mal in ihrer neuen gesellschaftlichen Rolle eingerichtet, gibt es für die meisten kein Zurück. Zu groß sind Vorteile, die ihnen in einer patriarchalischen Kultur zuteil werden. In den abgelegenen Dorfgemeinschaften der albanischen Alpen hat ein Hof ohne Mann bis heute keine Stimme, keine Berechtigung.
In den urbanen Regionen ist man zwar aufgeschlossener, doch wie Kristine Nrecaj und Birthe Templin in ihrem empathischen Dokumentarfilm zeigen: Der Weg bis zur Gleichberechtigung bleibt steinig und lang. Fasziniert hört man den Frauen zu, wenn sie darüber berichten, was sie dazu bewogen hat, sich die Haare abzuschneiden, Hosen anzuziehen, männliche Namen und Verhaltensmuster anzunehmen. Hinter jedem der sechs Schicksale, denen die Filmemacherinnen mit viel Sympathie nachgehen, verbirgt sich sowohl eine bewegende Geschichte als auch eine beeindruckende Persönlichkeit, die es zu entdecken gilt.
Originaltitel: Wo / Men
Deutschland 2024, 84 min
Sprache: Albanisch
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Kristine Nrecaj, Birthe Templin
Drehbuch: Kristine Nrecaj, Birthe Templin
Kamera: Alfred Nrecaj
Schnitt: Evelyn Rack
Verleih: missingFILMs
Kinostart: 15.05.2025
Vorführungen
ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.