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Wir könnten genauso gut tot sein

Feindliche Welt

In einer doppelt feindlichen Welt schirmen sich die Bewohner*innen eines Wohnkomplexes nach außen gegen den Wald ab und mobben im Haus Nachbar*innen, die sich regelwidrig verhalten.

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Anna ist Sicherheitsbeauftragte eines Wohnkomplexes. Umgeben von Wald leben hinter dem Zaun die Menschen und spielen Golf. Was auch immer zwischen den Bäumen lauert, hier wähnt man sich sicher. Der begehrte Raum wird nur nach strenger Prüfung vergeben, eine Gemeinschaft braucht schließlich Ordnung und Transparenz. Dabei hat Anna selbst ein Geheimnis. Tochter Iris ist überzeugt, den bösen Blick zu haben und verbarrikadiert sich seit Tagen im Badezimmer. Sie verpasst die Chorprobe, Nachbarn fragen nach ihr. Anna lügt. Dann verschwindet der Hund des Hausmeisters. An immer mehr Stellen kommt es zu „unsozialem, unmoralischem, unüberlegtem“ Handeln. Die Verunsicherung im Haus ruft eine Bürgerwehr auf den Plan. Golfschläger werden zu Waffen, freundliche Hausgenossen zu Blockwarten.

Iris Verhalten rückt Mutter und Tochter in den Fokus der argwöhnischen Nachbarn, und Annas Lage ist prekär, in einer doppelt feindlichen Welt. Das unbenannte Grauen draußen und der bürgerliche Terror im Haus, der mit seinen Stepford-Vibes auch mal humorige Momente schafft. Mob und Erzählung bleiben holzschnittartig, fast wie eine Parabel. Iris mystische Paranoia versus den vernunftskalten Verhaltenskodex, die Kinks und Geheimnisse der Bewohner*innen, die durch die Risse der sauberen Fassade scheinen. Regisseurin Natalia Sinelnikova studierte vor der Regie Fotografie, was in den gut komponierten Bildern zu sehen ist, die der Erzählung voraus auch die Atmosphäre setzen. Eine dunkle Stimmung entspinnt sich in der 70er-Jahre Architektur, wenn Anna durch die langen Korridore geht, in engen Aufzügen steht, oder über das eingezäunte Gelände streift. Wie ein unangenehmes Brummen, schwingt die Bedrohung draußen mit, denn vom Zaun aus sieht es hüben wie drüben eigentlich ganz friedlich aus.

Clarissa Lempp

Details

Originaltitel: Wir könnten genauso gut tot sein: We Might As Well Be Dead
Deutschland/Rumänien 2021, 94 min
Sprache: Deutsch, Polnisch
Genre: Drama
Regie: Natalia Sinelnikova
Drehbuch: Natalia Sinelnikova, Viktor Gallandi
Kamera: Jan Mayntz
Schnitt: Evelyn Rack
Musik: Maxi Menot, Anna Kühlein
Verleih: ekysytent distribution
Darsteller: Pola Geiger, Ioana Iacob, Knut Berger, Jörg Schüttauf, Siir Eloglu, Susanne Wuest
FSK: 12
Kinostart: 29.09.2022

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