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Wir Eltern

Gnadenlose Selbst-Darstellung

Schauplatz der Handlung ist das Zuhause von Autorin Ruth Schweikert und Regisseur Eric Bergkraut; das Drehbuch ist eine Groteske des eigenen Familienlebens.

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Wenn Erziehung der Versuch ist, die Welt um sich herum zu ordnen, so misslingt das den Eltern in WIR ELTERN auf ganzer Linie. Chaos, verschlossene Türen, Widerworte – so danken ihnen ihre beiden erwachsenen Söhne ihre elterliche Fürsorge. Mama Vero (Elisabeth Niederer) und Papa Michael (Eric Begrkraut) zerreißen sich zwischen ihren Kindern: Quälend lange führt der Film vor, wie unfähig sie sind, ihren trotzigen, herrischen Söhnen irgendetwas entgegen zu setzen. Sie haben keinerlei Handhabe, ihre Drohungen sind leer und ihre Wut ohnmächtig. Frustrierend ist auch der Versuch, aus jeder Interaktion der Familie die gesellschaftspolitischen Implikationen herauszulesen. Denn dass es dem Film auch darum geht, zeigen die Zitateinblendungen und Interviewbeiträge von Erziehungsexperten, die die Handlung begleiten. „Kinder haben zu viel Macht“, heißt es da, und es ist von einem „Verwöhnstopp-Programm“ die Rede. Ist WIR ELTERN also stumpfes Akademiker-Eltern-Bashing und Absage an die Suche nach neuen Formen der Pädagogik, die ohne Gewalt auskommen? Glücklicherweise zeigt der Film schlussendlich mehr Ambiguität, als zuerst zu befürchten ist: Schauplatz der Handlung ist das Zuhause von Autorin Ruth Schweikert und Regisseur Eric Bergkraut; das Drehbuch ist eine Groteske des eigenen Familienlebens. Neben Eric Bergkraut spielen auch die drei Söhne des Paares, Ruben, Elia und Orell Bergkraut, fiktionalisierte Versionen ihrer Selbst. Umso erstaunlicher ist es, wie gnadenlos sie ihren Figuren gegenüber sind. Das ist schwer mit anzusehen, aber durchaus auch sympathisch. Es gelingt ihnen jedenfalls, uns fühlen zu lassen, wie frustrierend und unerbittlich es sein kann, eine Familie zu sein. Im Weg stehen dabei einige nervige Klischees in der Figurenzeichnung und zuvorderst der beiläufige Rassismus der Charaktere, der sicher auch als Kommentar gedacht ist, aber ohne echte Konsequenzen bleibt.

Eva Szulkowski

Details

Schweiz 2019, 94 min
Genre: Komödie, Drama
Regie: Eric Bergkraut, Ruth Schweikert
Drehbuch: Eric Bergkraut, Ruth Schweikert
Kamera: Stéphane Kuthy
Schnitt: Bigna Tomschin
Musik: Marie-Jeanne Serero
Verleih: W-Film
Darsteller: Elisabeth Niederer, Eric Bergkraut, Elia Bergkraut, Ruben Bergkraut, Orell Bergkraut
FSK: 6
Kinostart: 16.07.2020

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