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Wie im echten Leben

Undercover in Caen

Die Schriftstellerin Marianne (brillant: Juliette Binoche) nimmt einen Job als Putzfrau in der Hafenstadt Caen an, um mehr über das Leben der Arbeiterklasse zu erfahren.

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Eine Frau mittleren Alters geht zum Arbeitsamt. Ihr Lebenslauf weist eine enorme Lücke auf. Über 20 Jahre Ehe, und jetzt ist sie allein, muss von Null anfangen. Beim Amt ist man sich einig: Mit ihrer Erfahrung als Hausfrau solle sie es am besten im Gebäudereinigungsdienst versuchen - also eigentlich sagen alle immer noch Putzfrau. Marianne (brillant: Juliette Binoche) lernt als Neue schnell die anderen Putzkräfte kennen, die meisten Frauen wie sie. Da ist die blutjunge Marilou (Léa Carne), die auch bei ihrer Familie zuhause putzt und am liebsten mit ihrem Freund ganz weit weg möchte. Und es gibt Christèle (Hélène Lambert), die Mutter von drei kleinen Jungs ist und die Hoffnung aufgegeben hat, dass sie jemals von Caen wegkommt. Das Klima der nordfranzösischen Hafenstadt ist rau, genau wie die Arbeitsbedingungen auf Campingplätzen und Fähren. Niemand weiß, warum Marianne von Paris ausgerechnet hierher gezogen ist – und niemand darf es wissen: Hinter den Augenringen und der scheuen Art verbirgt sich eine gefeierte Schriftstellerin. Marianne recherchiert für ihr nächstes Buch über die prekären Arbeitsbedingungen in Frankreich. Dass die Notizen, die sie ab Tag 1 mitschreibt, mehr sind als die strengen Anweisungen von oben, das bekommen bald auch Mariannes Mitstreiterinnen Marilou und Christèle mit – mit denen sie inzwischen eine zarte Freundschaft verbindet. Welche Mittel sind gerechtfertigt, um Ungerechtigkeit aufzudecken? Der französische Schriftsteller und Filmemacher Emanuel Carrère findet hier eine Perspektive auf die soziale Wirklichkeit, die schonungsloser und unaufgeregter ist als die bekannten französischen Milieu-Tragikomödien à la ZIEMLICH BESTE FREUNDE. Wir folgen dem allseits wachen Blick von Marianne, und es geht ein stiller, aber beständiger Sog aus, von den frühmorgendlichen genau wie die nächtlichen Arbeitsschichten – von den Gesichtern, die niemand sieht.

Anna Hantelmann

Details

Originaltitel: Ouistreham
Frankreich 2021, 106 min
Sprache: Französisch
Genre: Drama
Regie: Emmanuel Carrère
Drehbuch: Emmanuel Carrère, Hélène Devynck
Kamera: Patrick Blossier
Schnitt: Albertine Lastera
Musik: Mathieu Lamboley
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
Darsteller: Juliette Binoche, Hélène Lambert, Léa Carne, Évelyne Porée, Patricia Prieur
Kinostart: 30.06.2022

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