Kurz nach Sonnenaufgang an einem frühen Frühjahrstag joggt Almut (Florence Pugh) einen Feldweg entlang und sammelt ein paar junge Kiefernnadeln ein. Zuhause wird sie daraus ein Frühstück für sich und Tobias (Andrew Garfield) zaubern. Ein unspektakulärer Moment und gleichzeitig, das macht die Musik deutlich, ein flüchtiger Höhepunkt häuslichen Glücks. Regisseur John Crowley (BROOKLYN) und Drehbuchautor Nick Payne erzählen ihre Liebeslebensgeschichte a-chronologisch. Nur wenige Szenen später sitzen Almut und Tobias beim Arzt. Bei Almut ist der Krebs zurück, und die Aussicht auf eine weitere Runde Chemo löst eine tiefe Resignation aus. Vor dem Krankenhaus fragt sie Tobias, wie er es denn finden würde, wenn sie die Chemo nicht machen würde. Ob nicht wenige gute Monate besser wären als ein paar mehr beschissene Monate? Die Frage hängt von da an über jeder Szene des Films. Was ist ein guter Moment? Welche Entscheidungen haben welche Konsequenzen? Wie leben wir damit, dass wir das nicht wissen können? Die Erzählung springt zwischen einer Gegenwart, in der Almut mit Schwächeanfällen kämpft und nicht von ihrem Restaurantjob lassen kann, und unterschiedlichen Zeitebenen in der Vergangenheit hin und her. In einer lernen Tobias und Almut sich kennen, in einer anderen versuchen sie, ein Kind zu bekommen. Das Bemerkenswerteste an ihrer Beziehung ist, dass sie so wenig bemerkenswert ist: Tobias und Almut sind zwei nette Leute, die spürbar gut miteinander können. Almut ist etwas ruppiger, robuster, ambitionierter. Köchin ist ihr Traumberuf. Tobias ist etwas bedächtiger, und er räumt das Geschirr weg. Die Zeitsprünge und eine sehr glatte Inszenierung sorgen für eine gewisse Distanz, und WE LIVE IN TIME ist weniger herzzerreißend als gedacht. Die Freundlichkeit, mit der Tobias und Almut miteinander umgehen, bleibt im Gedächtnis.

Hendrike Bake