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Waves

Pures Gefühlskino

WAVES ist pures, körperliches Gefühlskino, in dem sich die ganze Welt in Farben, Sound und Körpergestus auflöst. Die Dialoge sind selten notwendig, manchmal kaum zu verstehen.

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Es ist besser, vor dem Kinobesuch nichts über WAVES zu wissen, erst recht nicht über die Handlung. Die wird hier nicht verraten, aber ich würde empfehlen, weder diesen Text noch irgendeinen anderen zu lesen.

Der Film beginnt furios. Die Leinwand ist noch schwarz, ein Atmen ist zu hören und ein Kratzen, dann folgt die Kamera einem Mädchen auf dem Fahrrad in eine so perfekte Welt, dass ihre Zerbrechlichkeit sofort spürbar wird. Tyler und seine Freundin fahren an der Küste entlang, ein Fuß hängt aus dem Fenster, der andere ist auf dem Gas, sie knutschen, singen, dann rast die Kamera durch die Räume, die ihr Leben bestimmen: Highschool, Parties, Liebe am Strand, gutsituierte Familien in luxuriösen Häusern. Tyler ist Sportler, posiert vor dem Spiegel und schickt die Bilder an seine Freundin, die im Telefon als „Goddess“ abgespeichert ist. Alles ist Farbe, Körper, Sound. Der Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross hält die Stimmung, wenn nicht gerade Songs von Kanye West, Animal Collective, Frank Ocean oder Tyler the Creator in den Mix einfließen. Die Bilder pulsieren wie der Sound. Alles ist dauernd in einer Bewegung, die darauf zu lauern scheint, gegen eine Wand zu rasen. Wir warten auf die Wand.

Trey Edward Shults hat zuletzt den psychologischen Endzeit-Thriller IT COMES AT NIGHT gedreht, der Körperhorror, Kommentar über gesellschaftliche Ausschlussmechanismen und effektvolles Spannungskino zugleich war. Hier spielt Shults noch virtuoser mit Zuschauererwartungen und den Konventionen des Erzählkinos. Manchmal sieht WAVES aus, als wollte Shults‘ Film-Pop-Avantgardisten des Kinos wie Gaspar Noé oder Harmony Korine zeigen, wie man das alles schneller und lauter machen kann. Dann, etwa in der Mitte des Films, folgt der Schlag in die Magengrube und es geht in einer anderen Tonart weiter, bevor, tatsächlich wie Wellen, die Energie des Anfangs wieder aufflammt, um wieder zu Stille zu werden. WAVES ist pures, körperliches Gefühlskino, in dem sich die ganze Welt in Farben, Sound und Körpergestus auflöst. Die Dialoge sind selten notwendig, manchmal kaum zu verstehen. Sprache ist auch nur ein Körperteil, das zum Ausdruck wird. Wenn die Bewegungsmöglichkeiten sich einengen, wird auch das Bild schmaler. Über dem Abspann singen Alabama Shakes: „Sound and color/This life ain't like it was”. WAVES ist pures Kino, pure Wucht, Farbe, Sound. Viel besser wird es nicht.

Tom Dorow

Details

USA 2019, 135 min
Genre: Drama, Romance
Regie: Trey Edward Shults
Drehbuch: Trey Edward Shults
Kamera: Drew Daniels
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Verleih: Universal Pictures
Darsteller: Lucas Hedges, Sterling K. Brown, Taylor Russell, Elisa Lau
FSK: 12
Kinostart: 16.07.2020

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