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Waldheims Walzer

Die Lüge des Kandidaten

1986 kandidierte der ehemalige UN-Generalsekretär Kurt Waldheim für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich. Als herauskam, dass Waldheim über seine Vergangenheit gelogen hatte, begann eine heftige Kontroverse, die Lebenslügen der Nachkriegsgeneration offenlegte.

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1986 kandidierte der ehemalige UN-Generalsekretär Kurt Waldheim für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich. Die Wahl sollte am 4. Mai stattfinden, Waldheim galt als Favorit, als „Der Mann, dem die Welt vertraut“, wie ÖVP-Wahlplakate verkündeten. Dann veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „Profil“ den Artikel „Waldheim und die SA“. Waldheims Wehrstammkarte zeigte, dass der Kandidat seit 1938 in der SA, im NS-Reiterbund und im NS-Studentenbund gewesen war. Der Jüdische Weltkongress legte in New York Beweise darüber vor, dass Waldheim über seine Vergangenheit zwischen 1941 und 1945 gelogen hatte. Waldheim hatte immer angegeben, nach seiner Einziehung in die Wehrmacht 1941 an der Ostfront verwundet worden zu sein, und danach sein Jura-Studium fortgesetzt zu haben. Tatsächlich war er 1943 als Nachrichtenoffizier in Jugoslawien, während dort im Zuge der Partisanenverfolgung Massaker an Zivilisten stattfanden, und in Saloniki, wo ein Drittel der Bevölkerung als Juden deportiert wurden. Ruth Beckermann (DIE GETRÄUMTEN, 2016) zeigt die Kontroverse um Waldheim als ein Aufbrechen der österreichischen Lüge, das „erste Opfer des Nationalsozialismus“ gewesen zu sein. Sie war 1986 Aktivistin gegen Waldheims Wahl und filmte während Demonstrationen und bei Diskussionen mit Passanten, bei denen Waldheim-Gegner als „dreckige Juden“ beschimpft wurden. Ihr Film WALDHEIMS WALZER montiert internationales Archivmaterial und setzt es in den historischen Kontext: In Bitburg standen ein Jahr zuvor Ronald Reagan und Helmut Kohl an den Gräbern von SS-Männern, im Februar 1986 lief Claude Lanzmanns Film SHOAH auf der Berlinale. Es gab ein neues Bewusstsein für die moralische Verkommenheit der Alten in der jüngeren Generation, der Bundeskanzler Kohl „die Arroganz der Spätgeborenen“ vorwarf. Das Buhlen um Nazi-Stimmen gehörte damals wie heute zum politischen Geschäft des bürgerlichen Lagers.

Hannes Stein

Details

Österreich 2018, 93 min
Sprache: Deutsch
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Ruth Beckermann
Drehbuch: Ruth Beckermann
Schnitt: Dieter Pichler
Verleih: Edition Salzgeber
FSK: 6
Kinostart: 04.10.2018

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