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Von Sängern und Mördern

Den Schmerz singen

In VON SÄNGERN UND MÖRDERN begleitet Regisseur Stefan Eberlein Häftlinge aus russischen Gefängnissen, die sich auf ihre Teilnahme am Gesangswettbewerb „Kalina Krassnaja – Roter Holunder“ vorbereiten, eine der populärsten Musikveranstaltungen im russischen Fernsehen.

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Regisseur Stefan Eberlein hat einen Blick für gesellschaftliche Absurditäten wie die Übernahme des kleinen mecklenburgischen Provinzflughafens durch einen chinesischen Großinvestor in PARCHIM INTERNATIONAL. Doch er verliert auch bei der größten Posse niemals aus den Augen, dass es Menschen sind und keine Figuren, die inmitten seiner Geschichten um ihre Würde ringen. Diese Haltung kommt auch seinem neuen Dokumentarfilm VON SÄNGERN UND MÖRDERN zugute, in dem er Häftlinge aus russischen Gefängnissen begleitet hat, die sich auf ihre Teilnahme am Gesangswettbewerb „Kalina Krassnaja – Roter Holunder“ vorbereiten, eine der populärsten Musikveranstaltungen im russischen Fernsehen. Es sind Diebe, Drogenhändler und Mörder, die hier aus tiefster Seele über ihr Leben und ihre Sehnsucht singen und für die Dauer ihrer Lieder wieder frei erscheinen und unantastbar. Und dann ist da Natalia Abashkina, die Regisseurin der Show, die von Strafkolonie zu Strafkolonie durch das Land reist, um die Teilnehmer auf ihren großen Moment vorzubereiten. Dabei gibt sie ihnen Tipps zur Außenwirkung, vor allem aber scheint sie durch die rührenden Darbietungen der Gefangenen selbst ihren großen inneren Schmerz verarbeiten zu können. Schnell wird klar, dass es um viel mehr geht, als um ein aufsehenerregendes Fernsehevent. Abashkina repräsentiert ein traumatisiertes Land, in dem jeder zumindest jemanden kennt, der im Krieg kämpfen musste, wie sie ihren Schützlingen erklärt. Dass sich der Titel ihrer Show auf Regisseur Wassili Schukschis gleichnamigen Spielfilm aus dem Jahr 1974 bezieht*, in dem ein Exhäftling versucht, sich in die Gemeinschaft eines Dorfes wiedereinzugliedern, doch seiner Geliebten am Ende nur dessen poetischen Briefe aus der Haftzeit bleiben, darf natürlich nicht unerwähnt bleiben.

* (Zu sehen im Krokodil am 10. und 14.9.)

Jens Mayer

Details

Originaltitel: A Tale of Singers and Murderers
Deutschland 2017, 87 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Stefan Eberlein
Drehbuch: Stefan Eberlein
Kamera: Denis Klebleev, Manuel Fenn
Schnitt: Ulrike Tortora
Verleih: Filmbüro Süd
Kinostart: 07.09.2017

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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