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Vitalina Varela

Licht und Schatten

VITALINA VARELA ist ein Kunstwerk, geformt aus Licht und Schatten, Geräuschen, Gemäuern und Gesichtern. Jede einzelne Einstellung dieses Films entfaltet einen visuellen Reichtum und eine künstlerische Gravität, die an das expressionistische Kino der 1920er Jahre oder die Fotografien von Helmar Lerski erinnern.

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Nachdem sie 25 Jahre lang auf ein Flugticket aus den Kapverden wartete, um ihrem geflohenen Ehemann nachzureisen, entsteigt Vitalina Varela einem Flugzeug in Lissabon. Es ist Nacht, auf dem Rollfeld erwartet sie eine Gruppe von ebenso prekarisierten Menschen wie sie selbst, nur um ihr mitzuteilen, dass ihr Ehemann soeben verstorben ist und dass Portugal für sie nichts bereithält. Vitalina bleibt. Und spürt ihrem toten Ehemann nach, seinen gebrochenen Versprechen, seinem Elend, seiner vergeblichen Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa, ihrer gemeinsamen Vergangenheit und nie verwirklichten Zukunft.

Diese Zusammenfassung kann dem Film von Pedro Costa jedoch kaum gerecht werden, ebensowenig der Fakt, dass die Figur der Vitalina Varela von ihr selbst gespielt wird, einer Laienschauspielerin mit unvergesslichem Ausdruck, die das Erzählte wirklich erlebt hat.
Denn VITALINA VARELA ist ein Kunstwerk, geformt aus Licht und Schatten, Geräuschen, Gemäuern und Gesichtern. Jede einzelne Einstellung dieses Films entfaltet einen visuellen Reichtum und eine künstlerische Gravität, die an das expressionistische Kino der 1920er Jahre oder die Fotografien von Helmar Lerski erinnern. Mit digitaler Technik, die analog wirkt, entstehen hier Szenen, die gleichzeitig bedrücken, anrühren und verführen. Man möchte mit dem Bild verschmelzen und jede Oberfläche in dem sonnenlosen Verlies des Lissaboner Barrios Fontainhas, in dem bislang jeder Film Costas gedreht wurde, entlangstreichen, um den Schmerz seiner Bewohner:innen nachzufühlen. Die Schatten, die der Kolonialismus und die globale Arbeitsmigration werfen, kann auch der buchstäbliche Lichtblick am Ende des Films nicht vertreiben; in diesen Schatten leben Menschen und warten, trinken und weinen.

"Glückselig sind die Weinenden, denn sie werden getröstet", sagt der verzweifelte Priester (gespielt von Ventura in seiner sechsten Zusammenarbeit mit Costa), den Vitalina zu einer Messe für sie und ihren verstorbenen Mann zwingen muss. Trost kann er damit nicht spenden.

Yorick Berta

Yorick Berta

Details

Portugal 2019, 124 min
Sprache: Portugiesisch
Genre: Drama
Regie: Pedro Costa
Drehbuch: Pedro Costa, Vitalina Varela
Kamera: Leonardo Simões
Schnitt: Vítor Carvalho, João Dias
Verleih: Grandfilm
Darsteller: Vitalina Varela, Ventura, Manuel Tavares Almeida, Francisco Brito
Kinostart: 10.09.2020

Website
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