Im Mai dieses Jahres ist Augusto Góngora gestorben. Als Journalist im Untergrund hatte Góngora das Leben der chilenischen Bevölkerung unter der Pinochet-Diktatur dokumentiert und ein Buch über die 17 Jahre der Diktatur mit dem Titel „Die verbotene Erinnerung“ geschrieben. Er war später ein bekannter Kulturjournalist und moderierte eine Literatursendung im chilenischen Fernsehen. 2014 ist Góngora an Alzheimer erkrankt.
Der Dokumentarfilm DIE UNENDLICHE ERINNERUNG von Maite Alberti zeigt das Leben von Góngora und seiner Ehefrau Paulina Urrutia vor allem während seiner Erkrankung, bis 2022. Paulina Urrutia ist Schauspielerin und Gewerkschafterin und war von 2006 bis 2010 Kulturstaatsministerin in Chile.
Der Film beginnt damit, dass Paulina – er nennt sie Pauli, sie nennt ihn Góngora – ihren Mann morgens weckt und er sie nicht erkennt. Sie hilft ihm beim Duschen und Ankleiden, bereitet ihm das Frühstück zu und versucht, seine Erinnerung zu wecken. Aber manchmal erkennt Góngora Pauli stundenlang nicht. Manchmal ist er nachts desorientiert und hat Angst. Er fürchtet, dass jemand seine Bücher, für die er so hart gearbeitet hat, wegnimmt. „Was ist nur mit mir?“ sagt er immer wieder und weint. Der Film flicht Bilder aus besseren Zeiten ein, und man wünscht sich, diese liebenswerten und klugen Menschen weiter auf der Höhe ihrer Kraft zu sehen. Paulina und Augusto haben geheiratet, als er schon erkrankt war. Sie hat sich bewusst entschieden, bis zu seinem Tod bei ihm zu bleiben. Aber Góngora, der einst schrieb, ohne Erinnerung gäbe es keine Identität, geht immer mehr verloren. Er hält sich an den Büchern, die er nicht mehr lesen kann, fest wie an einem rettenden Felsen, und verliert allmählich die Sprache, bis er verstummt. DIE UNENDLICHE ERINNERUNG ist ein unendlich trauriger Film.

Tom Dorow