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Tangerine L.A.

Knalliges iPhone-Cinemascope

Knallbunte Transgender-Weihnachts-Farce auf den Straßen von L.A.: Sin-Dee, eben aus dem Gefängnis freigelassen, ist ihrem untreuen Freund Chester auf der Spur, während Alexandra sich Mühe gibt, sie von einer allzu dramatischen Wiederbegegnung abzuhalten.

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Wie Raubtiere jagen sie durch die Straßen von L.A. Sin-Dee, eben aus dem Gefängnis freigelassen, ist ihrem untreuen Freund Chester auf der Spur, während Alexandra sich Mühe gibt, sie von einer allzu dramatischen Wiederbegegnung abzuhalten. Auf der Straße – dem Haupthandlungsort des Films – tauschen die zwei Freundinnen sexuelle Dienste gegen Dollars. Ab und zu treffen sie Bekannte: Mal andere Transgenders, mal die im Block patrouillierende Polizistin, mal den armenischen Taxifahrer Razmik, der an diesem Weihnachtstag allerlei besoffene Kunden von A nach B fährt. TANGERINE, zu Deutsch Mandarine, ist der Farbton, in den diese kleine mit iPhone und in Cinemascope gedrehte, und auf dem Sundance Festival entdeckte Filmperle getunkt wurde. Ähnlich knallig ist auch der Soundtrack, der wiederholt mit rasch steigender Kadenz einsetzt und unseren Blick auf die vorwärtseilenden Protagonistinnen lenkt. Die Stimmung ist exaltiert bzw. droht jederzeit völlig überzuschwappen, falls Sin-Dee die Nerven verliert. Ein kleines Intermezzo bietet Alexandras Auftritt in einer Bar, zu dem Sin-Dee und ihre Nebenbuhlerin Dinah in letzter Minute noch auftauchen.
Im Verlauf des Films wird eine erdrückende verbal-diskriminierende Artillerie aufgerollt. Dinah sagt von Chester er sei von "half fag" zu völlig schwul geworden, Alexandra nennt sie "fish" – Slang für biologisch weiblich – und Chester hetzt zuletzt alle gegeneinander auf, bevor er sich mit einem "this is some girls shit" ausklinkt. Hinter der Wortgewalt verbirgt sich die harte Wahrheit der Straße, man nenne sie Prostitution oder Promiskuität, die eine Gruppe von Menschen verbindet. Mit einerseits psychologischem Suspense und andererseits durchdachten Details, wie z.B. dem mandarinenförmigen Wunder-Baum, der in Razmiks Taxi den Geruch von Erbrochenem vertreiben soll, ist Sean Baker eine spannende Inszenierung geglückt.

Raphaël Rück

Details

Originaltitel: Tangerine
USA 2015, 88 min
Genre: Drama, Komödie
Regie: Sean Baker
Drehbuch: Sean Baker, Chris Bergoch
Kamera: Sean Baker, Radium Cheung
Schnitt: Sean Baker
Verleih: Kool Filmdistribution
Darsteller: Kitana Kiki Rodriguez, Mya Taylor, Mickey O'Hagan
FSK: 16
Kinostart: 07.07.2016

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