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Stasikomödie

Propaganda und Pop

Als Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf) Jahrzehnte nach dem Mauerfall, umringt von seiner Familie, seine Stasiakte einsieht, kommt sein jugendliches Doppelspiel unverhofft ans Licht.

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Wer kennt das nicht: Man kommt an eine Ampel. Es ist Rot. Kein Auto in Sicht. Stehenbleiben oder Gehen? Für den jungen Ludger Fuchs (David Kross) stellt sich die Frage nicht. Er hält sich an Regeln, zumindest bis jetzt. Ohne es zu wissen, hat er gerade seine Aufnahmeprüfung für die Stasi bestanden. Kurz darauf sitzt er im Hauptquartier des Ministeriums für Staatsicherheit und wird gemeinsam mit drei Kollegen beauftragt, die oppositionelle Künstlerszene rund um die Schönhauser Allee zu bespitzeln. Sein Problem: Die Frauen, die er dabei kennenlernt. Ja, gleich zwei. Die eine, Corinna (Antonia Bill, später: Margarita Broich), wird er schließlich heiraten. Die andere, Natalie (Deleila Piasko), schreibt ihm heißblütige Briefe, die, wie sich herausstellt, sorgfältig in seiner eigenen Stasi-Akte vermerkt werden. Und damit fängt der Ärger an. Denn als der alte Fuchs (Jörg Schüttauf) Jahrzehnte nach dem Mauerfall, umringt von seiner Familie, die Unterlagen einsieht, kommt sein jugendliches Doppelspiel unverhofft ans Licht.

Leander Haußmann hat die Grundmauern der Geschichte, die er in seiner STASIKOMÖDIE erzählt, dem Staatsicherheitstheater entnommen, das er 2018 an der Berliner Volksbühne inszenierte. In den Medien wurde die Aufführung damals als «Stasi-Horror-Picture-Show» beschrieben, und auch auf der Leinwand dreht der Regisseur ordentlich auf. Ein pompöser Kostümball zu Ehren von Erich Mielke, dem Stasi-Chef, treibt den Irrwitz auf die Spitze. Drumherum geht es um Liebe und Literatur, Kontrolle und Verrat, Propaganda und Pop. Es ist Haußmanns persönliche Sicht auf die DDR-Geschichte, die er selbst miterlebt hat, angereichert mit viel Fantasie, gewürzt mit Humor und gepaart mit einer Nostalgie, die man teilen, annehmen oder verwerfen kann.

Immer wieder schön ist, wie Haußmann den Blick dafür weitet, dass das Leben im Osten nicht einfach nur grau, trist und furchtbar war. Auch seine frühen Ost-Komödien SONNENALLEE (1999) und NVA (2005) erzählen davon. Diesmal bietet es sich jedoch auch an, in die Gegenwart zu schauen: Nach diesem Film werde man das Ampelverhalten der Menschen anders bewerten, sagt der Regisseur. Am Ende hat Fuchs noch einmal die Wahl - und trifft prompt auf Detlef Bucks mahnenden Obermeister Horkefeld. Wie sich die beiden kurz nachdenklich auf der Straße gegenüberstehen, gehört zu den kleinen, großen Momenten des Films.

Pamela Jahn

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