Ángela (Miriam Garlo) und Héctor (Álvaro Cervantes) navigieren als Paar zwei Welten. Sie ist gehörlos, er hörend, ihre Freundeskreise und ihre Art, mit der Welt umzugehen, sind entsprechend unterschiedlich, aber durchlässig. Héctor hat Gebärdensprache gelernt, wenn es an der Tür klingelt, summt und blinkt es zugleich, und die Kolleg*innen in Ángelas Töpferwerkstatt tippen sie an und sprechen überdeutlich, wenn sie etwas von ihr wollen, meistens zumindest. Seine Freund*innen vergessen manchmal, der Reihe nach zu sprechen, und wenn sie mit ihren gebärdet, sitzt er ein wenig am Rand, aber alles in allem funktionieren sie gut, sind liebevoll, offen und vorsichtig miteinander und freuen sich auf ihr erstes Kind.

SORDA erzählt einfühlsam und naturalistisch, wie die Ankunft eines Kindes diese sorgfältig aufgebaute Balance erschüttert, eigentlich schon ab dem Zeitpunkt, an dem die Frage auftaucht, ob das Mädchen hörend oder gehörlos sein wird. Obwohl es niemand ausspricht, wird deutlich, wie sehr sich Ángelas Eltern über ein hörendes Enkelkind freuen würden und wie sehr Ángela genau dies verletzt. Als sich nach einer Weile herausstellt, dass Ona hören kann, fühlt Ángela sich an den Rand gedrängt, hat Angst, dem Mädchen nicht zu genügen, ist neidisch auf deren Verbindung zum Vater, wütend auf die eigenen Bedürfnisse und Unzulänglichkeiten.

SORDA nimmt vornehmlich Ángelas Perspektive auf die Welt ein und verzichtet darauf, diese für Hörende groß einzuordnen. Das geht bis in die Bildsprache, bei der Regisseurin Eva Libertad beispielsweise viel mit Tiefenschärfe gearbeitet hat, da für Gehörlose der Gesichtssinn entscheidend ist. Auch mussten in allen Einstellungen, in denen Gehörlose sich unterhalten, die Hände der Beteiligten zu sehen sein. Das Drehbuch entstand in enger Zusammenarbeit mit der Hauptdarstellerin Miriam Garlo, die selbst gehörlos und Schwester der Regisseurin ist, und die Ángelas fluktuierende, gemischte Gefühle nuanciert verkörpert.

Die Übersetzungsleistung, die Ángela und Héctor, ihre Freund*innen und Familien täglich leisten, müssen auch die Zuschauer*innen aufbringen, um sich in SORDA einzufühlen, und gerade das genaue Hinsehen ist eine schöne, sehr filmische Erfahrung. Die Untertitel – Audiodeskription für Gehörlose und Verschriftlichung der Gebärdensprache für Hörende – sorgen dabei für Barrierefreiheit in beide Richtungen.

Auf der diesjährigen Berlinale wurde SORDA mit dem Panorama-Publikumspreis ausgezeichnet, und auf dem Malaga Film Festival gab es neben dem Audience Award auch Preise für Garlo und Cervantes und für den Besten Film.

Hendrike Bake