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Schwarze Milch – Black Milk

Schichten von Fremdheit

Wessi lebt seit Jahren in Deutschland, ihre Schwester Ossi ist als Nomadin in der Wüste Gobi geblieben. In Uisenma Borchus SCHWARZE MILCH, der dieses Jahr im Panorama der Berlinale lief, treffen zwei Frauen und zwei Kulturen aufeinander.

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Im letzten Bild sitzt Wessi in der Steppe, inmitten des kreisrunden Abdrucks, den die Jurte hinterlassen hat, die dort in der vorangegangenen Nacht noch stand. Allein bleibt sie nicht lange. Ihre Schwester Ossi, die ihr gefolgt ist, teilt mit ihr den Fleck Erde in der Leere: In Uisenma Borchus SCHWARZE MILCH, der dieses Jahr im Panorama der Berlinale lief, treffen zwei Frauen und zwei Kulturen aufeinander.

„Findest du, wir sind uns fremd?“ fragt Wessi, von der Regisseurin selbst gespielt, ihre Schwester Ossi (Gunsmaa Tsogzol). „Bist du blind? Natürlich sind wir das“, antwortet diese. SCHWARZE MILCH, der bis auf die ersten paar Minuten ausschließlich in der Mongolei spielt, deckt die Fremdheit Schicht für Schicht auf: Die langsame Annäherung nach vielen Jahren, das gegenseitige Erstaunen gegenüber Ansichten und Traditionen, die über die Jahre eingegrabenen Differenzen zwischen dem Leben in einer deutschen Großstadt, das Wessi seit langem führt, und dem als Nomadin in einer mongolischen Jurte, dem Ossi treu geblieben ist. Wessis Offenheit, ihre forsche Art, mit Männern umzugehen und über Begehren zu sprechen, kontrastiert mit Ossi, die, um ein Tier zu schlachten, auf ihren Mann warten will. Es wird um Werte gerangelt, die sich nicht ohne Weiteres von einer Kultur in die andere übertragen lassen. Borchu verhandelt anhand ihrer eigenen Geschichte als in die DDR ausgewanderte Mongolin den Konflikt von zwei scheinbar unvereinbaren Identitäten, patriarchale und rassistische Strukturen in beiden Gesellschaften und den dringenden Wunsch, aus diesen auszubrechen.

Angedeutete Blicke und allerlei Unausgesprochenes lassen die beiden Frauen uneindeutig wirken, ein Gewinn für den Film: Figuren und Bilder erhalten Zeit und Raum, um zu atmen, sprunghafte Schnitte betonen Unvorhersehbarkeit. Sven Zellners Kamera blickt immer wieder in die weite, helle Steppe, zu den Schafherden, dazwischen in die Dunkelheit der Jurte. Zwischen hell und dunkel, weiß und schwarz, findet sich die Geschichte.

Lili Hering

Details

Originaltitel: Khar Suu
Deutschland/Mongolei 2020, 91 min
Genre: Drama
Regie: Uisenma Borchu
Drehbuch: Uisenma Borchu
Kamera: Sven Zellner
Schnitt: Uisenma Borchu, Christine Schorr
Musik: Daniel Murena
Verleih: Alpenrepublik
Darsteller: Gunsmaa Tsogzol, Uisenma Borchu, Franz Rogowski, Terbish Demberel, Borchu Bawaa, Bayarsaikhan Renchinjugder
FSK: 12
Kinostart: 23.07.2020

Website
IMDB

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Keine Programmdaten vorhanden.

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