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Schnee von Gestern

Spurensuche in der Diaspora

Die in Berlin lebende Israelin Yael Reuveny macht sich auf die Suche nach den Spuren ihrer Familie in Israel und Deutschland. Im Mittelpunkt steht die Geschichte ihres Großonkels Feiv'ke, der das Konzentrationslager überlebte, und später am selben Ort, an dem er inhaftiert war, heiratete und sesshaft wurde.

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Yael Reuveny lebt wie viele Israelis ihrer Generation seit mehreren Jahren in Berlin – trotz des Unverständnisses ihrer Familie in Jerusalem („Was willst Du in der Disapora?“). Doch Yael will von den alten Geschichten nichts wissen und sich frei entscheiden, wo sie heimisch wird. Im Laufe ihres Dokumentarfilms SCHNEE VON GESTERN wird allerdings deutlich, dass diese „freie“ Entscheidung auch drei Generationen nach der Shoa noch immer eine Illusion ist. Die Geschichte lässt Yael nicht los und so macht sie sich auf die Suche nach den Spuren ihrer Familie und befragt dafür Menschen in Israel und Deutschland in der gleichen leisen, aber beharrlichen Art und Weise.
Im Mittelpunkt steht die überlieferte Geschichte ihres charismatischen Großonkels Feiv’ke, der den Holocaust überlebte und dann in den Wirren der letzten Kriegstage doch noch verschwand. Schicht für Schicht kratzt die junge Regisseurin an der überlieferten Familienlegende und findet schließlich heraus, dass aus dem KZ-Insassen Feiv’ke in der Nachkriegszeit der Deutsche Peter Schwarz wurde, der genau dort, wo er im Konzentrationslager gefangen saß, später heiratete und sesshaft wurde. Aus ehemaligen Aufsehern wurden Nachbarn und statt über Vergangenes zu sprechen, packten alle gemeinsam an, um ein „besseres Deutschland“ aufzubauen.
Wieder einmal bewahrheitet sich die alte Weisheit, dass das Leben die seltsamsten Geschichten schreibt. Yael Reuveny bleibt in ihrer Suche nach Antworten beharrlich und nutzt ihre Kamera wie ein Röntgengerät, um in die tieferliegenden Schichten der deutsch-israelischen Geschichte einzutauchen. Es ist kaum zu glauben, dass es mehr als 50 Jahre dauerte bis jemand diese Fragen zu stellen wagte. Vielleicht brauchte es genau diesen Abstand, um die Antworten überhaupt zu verstehen. SCHNEE VON GESTERN ist ein berührender Film, der sich trotz seiner farbgesättigten Aufnahmen ganz den Grautönen verschrieben hat, aus denen die meisten Entscheidungen des Lebens nun mal bestehen.

Luc-Carolin Ziemann

Details

Originaltitel: Heye shalom, Peter Schwarz: Farewell, Herr Schwarz
Israel/Deutschland 2013, 96 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Yael Reuveny
Drehbuch: Yael Reuveny
Kamera: Andreas Köhler
Schnitt: Nicole Korlüke, Assaf Lapid
Verleih: Film Kino Text
FSK: oA
Kinostart: 10.04.2014

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