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Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien

Profi-Provokateur

Der Dokumentarfilm über den Künstler und Profi-Provokateur Christoph Schlingensief bietet einen Überblick über Schlingensiefs Schaffen wie auch die politischen Meilensteine deutscher Nachkriegsgeschichte.

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Zu Beginn des Films erzählt Christoph Schlingensief von seinem künstlerischen Erweckungserlebnis: Eine versehentliche Doppelbelichtung ließ aus dem Super 8-Urlaubsfilm seines Vaters ein surrealistisches Kunstwerk entstehen, das den 10-jährigen Christoph Schlingensief tief beeindruckte. Die Doppelbelichtung lässt sich als Sinnbild für Schlingensiefs Kunstschaffen begreifen. Denn wie der Künstler in Bettina Böhlers SCHLINGENSIEF - IN DIE STILLE HINEINSCHREIEN ausführt, interessierte ihn zeitlebens die Verbindung von Widersprüchlichem zu einem künstlerischen Werk. Seine Filme, Theaterinszenierungen und Installationen waren Gänge an den Grenzen der Kunst. Dabei berief er sich einerseits auf die Autonomie der Kunst, ihre Freiheit und ihr kritisches Potential der Vergegenwärtigung und der Provokation. Andererseits versuchte er vehement, die Kunst ins politische Leben zu überführen und hielt in avantgardistischer Manier einer latent rassistischen und faschistoiden Mehrheitsgesellschaft den Spiegel vor.
Die Provokation der Mehrheitsgesellschaft ist jedoch nicht die Folge, sondern die Prämisse seiner Kunst. Auch die politischsten Aktionen sind der Figur Schlingensiefs als provokativem Künstler untergeordnet. Diesen Subjektivismus bricht auch SCHLINGENSIEF - IN DIE STILLE HINEINSCHREIEN nicht auf, da er komplett aus Archivaufnahmen besteht, in denen der Künstler von seinem Lebenswerk erzählt. Anstatt sich mit der Tragweite einzelner Aktionen detaillierter auseinanderzusetzen oder eine Beziehung von Künstler und Gesellschaft jenseits romantisierter Entfremdung zu rekonstruieren, durchschreitet Bettina Böhler Schlingensiefs gesamtes Oeuvre, vom ersten Kinderfilm bis zur letzten Kunstinstallation. Daher bietet der Film in erster Linie einen Überblick, über Schlingensiefs Schaffen wie auch die politischen Meilensteine deutscher Nachkriegsgeschichte.

Yorick Berta

Details

Deutschland 2020, 120 min
Genre: Dokumentarfilm, Biografie
Regie: Bettina Böhler
Drehbuch: Bettina Böhler
Schnitt: Bettina Böhler
Musik: Helge Schneider
Verleih: Weltkino
Darsteller: Tilda Swinton, Udo Kier, Sophie Rois
FSK: 12
Kinostart: 20.08.2020

Website
IMDB

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