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Sauvage

Zärtlichkeit und Gewalt

Léo ist anders als die anderen Stricher: Während sie ihre Freier professionell auf Distanz halten, sucht er bei ihnen nach Geborgenheit.

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Léo sehnt sich nach Liebe und Zärtlichkeit – er sucht sie auf dem Straßenstrich. Der Debütfilm von Camille Vidal-Naquet zeigt eine mitunter schwer zu ertragende Mischung aus Nähe und Gewalt. In seinem Zentrum steht der 22-Jährige Léo, der mit anderen jungen Männern seine Tage im Bois de Bologne vor Paris verbringt, wo er seine Dienste als käuflicher Geliebter anbietet. Léo ist anders als die anderen Stricher: Während sie ihre Freier professionell auf Distanz halten, sucht er bei ihnen nach Geborgenheit. Manchmal findet er sie und es folgen wunderschöne Momente der Zärtlichkeit an unerwarteten Orten: zum Beispiel wenn Léo die ihn behandelnde Ärztin plötzlich stürmisch für ihre Freundlichkeit umarmt und sie, zögernd, die Umarmung erwidert. Manchmal begegnet Léo aber auch körperlicher und emotionaler Gewalt, die nur marginal erträglicher dadurch wird, dass Léo sich ihr freiwillig aussetzt. Auf die Frage, ob er denn nicht anders leben möchte, antwortet er völlig verständnislos: Wie denn? Und Warum?
Die kurzen Momente der Geborgenheit sind umso herzzerreißender, als sie so willkürlich erscheinen – unkontrollierbar wie die Kameraeinstellungen, die den Zuschauern manches vorenthalten, während sie anderes näher zeigen als einem lieb ist. Ein richtiger Zufluchtsort für Léo tut sich nicht auf – und als doch, entscheidet Léo sich in einem Befreiungsakt gegen ihn, als wäre seltene und willkürliche Zärtlichkeit das Einzige, was er auf Dauer erträgt. Der leicht abwesende, verständnislose (oder störrische?) Blick Léos, seine zugewandte, nach Liebe lechzende Körperlichkeit und die Brutalität, mit der sie immer wieder zurück gewiesen wird, sind eine intensive Kombination, die auch lange nach dem Film noch im Gedächtnis haften bleibt.

Manon Scharstein

Details

Frankreich 2018, 97 min
Sprache: Französisch
Genre: Drama
Regie: Camille Vidal-Naquet
Drehbuch: Camille Vidal-Naquet
Kamera: Jacques Girault
Schnitt: Elif Uluengin
Musik: Romain Trouillet
Verleih: Edition Salzgeber
Darsteller: Félix Maritaud, Eric Bernard, Nicolas Dibla, Philippe Ohrel, Marie Seux
FSK: 16
Kinostart: 29.11.2018

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