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Porträt einer jungen Frau in Flammen

Große Schönheit

In Bildern von großer Ruhe und Schönheit, die an Gemälde erinnern, unter deren Oberfläche ein Vulkan brodelt, erzählt Celine Sciamma eine der schönsten Liebesgeschichten seit Jahren.

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Bereits als die junge Malerin Marianne (Noémie Merlant) – wir sind im Frankreich des 18. Jahrhunderts – ganz am Anfang des Films von Fischern auf die bretonische Insel gerudert wird, auf der ihr Auftrag wartet, kündigt sich ein rauer, sinnlicher Film an und eine Geschichte, die so noch nicht erzählt wurde. Das Meer funkelt blau, ekstatisch und eiskalt in der Sonne. Marianne klammert sich an ihre Kiste mit den Malsachen, ihrem wichtigsten Besitz, während das kleine Boot von der unruhigen See auf und ab geschleudert wird. Die Fischer setzen sie an Land ab und verschwinden aus der Geschichte, in der es weiter keine Männer gibt und keine braucht, die sich nur ohne Männer überhaupt so zutragen kann. Mariannes Ziel ist ein kleiner Landsitz. Sie soll dort Héloïse (Adèle Haenel) die Tochter der Landadeligen malen – ohne dass diese es merkt. Das Porträt wird die Heirat der jungen Frau nach Italien besiegeln, gegen die sie sich vehement wehrt. Also stellt sich Marianne zunächst als Gouvernante vor und begleitet Héloïse auf ihren Spaziergängen ans Meer. Im Bemühen, sich ihr Motiv einzuprägen, ist es zunächst Marianne, die Héloïse verstohlen und unaufhörlich anschaut. Irgendwann schaut Héloïse zurück, und der kurze Moment des Porträtmalens wird zu einer Oase der Freiheit und Liebe in einer Welt, in der Frauen aller Stände herumgereicht werden wie Ware. In Bildern von großer Ruhe und Schönheit, die ihrerseits an Gemälde erinnern, unter deren Oberfläche aber ein Vulkan brodelt, erzählt Céline Sciamma eine der schönsten Liebesgeschichten seit Jahren. Feierte Roland Barthes in „Fragmente einer Sprache der Liebe“ das Verliebtsein als Sehnsucht, als Erwartung an die Zukunft, so ist die Liebe hier schon in dem Moment, an dem sie sich ereignet, Vergangenheit, Erinnerung. Etwas, das einmal war, aber nicht mehr ist. PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN ist historisch und zeitgenössisch, traurig und tröstlich, zärtlich und abrupt, eine hellsichtigsten feministischen Erzählungen der letzten Zeit – der beste Film des Kinojahrs.

Hendrike Bake

Details

Originaltitel: Portrait de la jeune Fille en Feu
Frankreich 2019, 120 min
Sprache: Französisch
Genre: Literaturverfilmung, Drama
Regie: Céline Sciamma
Drehbuch: Céline Sciamma
Kamera: Claire Mathon
Schnitt: Julien Lacheray
Musik: Jean-Baptiste de Laubier
Verleih: Alamode Filmdistribution
Darsteller: Adèle Haenel, Noémie Merlant, Luàna Bajrami, Valeria Golino
FSK: 12
Kinostart: 31.10.2019

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