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Petrov's Flu

Reise in die russische Nacht

Petrov, ein Automechaniker, wird wie fast alle Bewohner der Stadt von einer Grippe geplagt. Von einem Freund bekommt er ein Medikament, das vor allem dafür sorgt, dass er in einen wilden, oft auch wirren Strom aus Gedanken und Erinnerungen gezogen wird.

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Mehrere Jahre stand der russische Theater-, Opern-, und Filmregisseur Kirill Serebrennikov unter Hausarrest, vage Vorwürfe der Untreue schränkten seine Freiheit ein, die Gefahr einer Verurteilung und der Lagerhaft hingen in der Luft. Es hilft, mit diesem Wissen Serebrennikovs neuen Film PETROV’S FLU zu sehen, die Verfilmung eines Romans von Alexey Salnikov – eine atemlose, irritierende, delirierende Reise in die russische Nacht. Vom ersten Moment an schwebt ein Gefühl der Paranoia, der Bedrohung über den Bildern, die Russland Anfang der Nuller Jahre zeigen. Schauplatz ist Jekaterinburg, eine Stadt wenige Kilometer östlich des Urals, also der fiktiven Grenze zwischen Europa und Asien, zwischen West und Ost. Hauptfigur ist Petrov, ein Automechaniker, der wie fast alle Bewohner*innen der Stadt von einer Grippe geplagt ist. (Bezüge zur Corona-Pandemie sind natürlich zufällig, aber nicht weniger reizvoll.) Von einem Freund bekommt er ein Medikament, das vor allem dafür sorgt, dass Petrov – und mit ihm der Zuschauer – in einen wilden, oft auch wirren Strom aus Gedanken und Erinnerungen gezogen wird. Bilder aus Petrovs Vergangenheit vermischen sich mit der Gegenwart, kontemplative Momente wechseln ab mit Szenen, in denen der Verfall der staatlichen Ordnung überdeutlich wird. War Serebrennikovs vorheriger Film LETO geprägt von sommerlichen Bildern und Melancholie, ist PETROV’S FLU durchzogen von Chaos und Anarchie. Weniger eine nachvollziehbare Handlung, als lange Kamerafahrten halten das Geschehen zusammen, verbinden in fließenden Einstellungen die disparaten Ideen und Gedanken. Viel zu viel ist das oft, gespickt mit Anspielungen an die russische Realität, die aus der Ferne kaum zu verstehen sind, wild und ungezügelt, voller eindringlicher Bilder und Momente, auf die es sich einzulassen lohnt.

Michael Meyns

Details

Originaltitel: Petrovy v grippe
Russland 2021, 145 min
Genre: Drama, Science Fiction
Regie: Kirill Serebrennikov
Drehbuch: Kirill Serebrennikov
Kamera: Vladislav Opelyants
Schnitt: Yuriy Karikh
Verleih: Edition Salzgeber
Darsteller: Chulpan Khamatova, Semyon Serzin, Yulia Peresild, Yura Borisov, Yuri Kolokolnikov
FSK: 16
Kinostart: 26.01.2023

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IMDB

Vorführungen

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