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Pelo Malo

Subversives Haar

Der neunjährige Junior hat Krach mit seiner Mutter weil er sein Haar glatt und lang tragen will. Über die feinfühlige Mutter-Tochter-Geschichte erzählt Regisseurin Mariana Rondòn wie Genderpolitik, Rassismus und Sexismus ihre Spuren in einer venezolanischen Familie hinterlassen.

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„Pelo malo“, „schlechtes Haar“, ist eine abwertende und dennoch in Lateinamerika übliche Bezeichnung für schwer zu bändigendes Haar mit afrikanischem Migrationshintergrund. Der neunjährige Junior versucht konsequenterweise, diesem Makel auf seinem Haupt mit den verschiedensten Glättungsmethoden beizukommen. Damit einer gesellschaftlichen Konvention folgend, kollidiert er zugleich mit einer anderen: Er könnte sich die Haare männlich kurz schneiden, besteht aber auf Länge und gerät in den Verdacht, zu feminin oder gar schwul zu sein. Seine Oma findet das gut, frei nach Achilles zieht sie es vor, den Jungen in Mädchenkleidern zu verstecken, als ihn maskulin in den Bandenkrieg und sicheren Tod ziehen zu lassen. Juniors Mama ist nicht begeistert, sie hält Abhärtung für die bessere Strategie in der Machowelt. So arbeitet sie selbst lieber als Security Guard denn als Putzfrau. Ihr Kampf ums finanzielle Überleben fordert verzweifelte Schritte – und spiegelt sich in zunehmender Lieblosigkeit, ja Verachtung gegenüber dem Jungen, der stur um sein Selbstbild ringt. Das manifestiert sich ganz konkret: Für die Schule ist ein Porträtfoto fällig. Während Juniors handfeste Freundin als Schönheitsqueen abgelichtet werden will, schwebt ihm eine Inkarnation als Popsänger vor, beides Ausdruck eines tiefsitzenden kollektiven Begehrens nach Anerkennung und Teilhabe. Mit Vehemenz manifestieren sich Diskurse um Gendernormen, rassistische Wertungen und Sexualität in PELO MALO an der Frisur. Regisseurin Mariana Rondón gelingt es, diese komplexen Einsichten organisch zu erzählen. Die ambivalente Dynamik zwischen Mutter und Sohn überzeugt ebenso wie die fast dokumentarische Zeichnung ihrer von Armut geprägten Nachbarschaft. Schließlich dämmert die Erkenntnis, dass sich Haare so wenig kontrollieren lassen wie Freiheitsbedürfnisse – sie wachsen einfach nach.

Anna Stemmler

Details

Originaltitel: Pelo malo
Venezuela/ Argentinien/ Peru/ Deutschland 2013, 93 min
Sprache: Spanisch
Genre: Drama
Regie: Mariana Rondón
Drehbuch: Mariana Rondón
Kamera: Micaela Cajahuaringa
Schnitt: Marite Ugas
Musik: Camilo Froideval
Verleih: imFilm
Darsteller: Samuel Lange Zambrano, Samantha Castillo, Nelly Ramos
FSK: 12
Kinostart: 31.03.2016

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