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Pearl

Im Prequel Zu X träumt die junge PEARL von einer Filmkarriere als Tänzerin, hat aber einen blutigeren Weg vor sich.

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(Eine kurze Anmerkung zu Spoilern: PEARL ist ein Prequel zu Ti Wests X (2022). Man kann beide Filme unabhängig voneinander anschauen, aber PEARL ist amüsanter, wenn man X schon kennt, und X profitiert davon, wenn man im Voraus so wenig wie nur möglich weiß, was einen erwartet. Daher empfehle ich, vor dem Weiterlesen auf jeden Fall X anzugucken.)

PEARL spielt auf demselben Hof, der in Ti Wests vorherigem Film X den Schauplatz für Sex und Gewalt bot, nur sechs Jahrzehnte früher, im Jahr 1918. Die finanzielle Lage ist schlecht und es fällt viel Arbeit an, die Pearl (Mia Goth) und ihre Mutter (Tandi Wright) alleine erledigen müssen, seit Pearls Mann Howard an die Front in Europa ist. Zum Leidwesen der Mutter lässt sich Pearl gerne von ihren Pflichten ablenken, um von einer Karriere als Tänzerin zu träumen. Pearl ist sich sicher, dass sie der Welt schon bald zeigen wird, was für ein großer Star sie ist, und schleicht sich gerne ins örtliche Kino, um da ihre großen Vorbilder auf der Leinwand zu sehen. Der Filmvorführer meint auch, dass Pearl schon bald bei den großen Filmrevuen mittanzen kann. Sie muss nur genug üben, und dann wird sie sicher beim großen Vortanzen, von dem ihre Schwägerin erzählt hat, entdeckt werden und ihren kometenhaften Aufstieg beginnen. Wenn nicht, könnte das böse enden. Pearl hat alle Tiere auf dem Hof, die bis jetzt ihr treues Publikum waren, nach ihren Lieblingsfilmstars benannt, und wenn einer von ihnen Pearls Tanzen nicht genug gewürdigt hat, landen sie schnell im Teich von Alligator Theda. Vielleicht gibt es einen guten Grund, warum die Mutter nicht will, dass Pearl unter Menschen geht.
Während die Bilder von X durch die ausgewaschenen Farben von Filmen wie TEXAS CHAINSAW MASSACRE beeinflusst wurden, ist PEARLS Ästhetik eine Hommage an den Technicolor-Überschwang von Musicals wie THE WIZARD OF OZ. Der Film setzt seine Protagonistin immer so in Szene als wäre sie schon ein Star, inklusive einer praktisch nie verstummenden pompösen Orchesterbegleitung. Gleichzeitig deutet sich aber auch schon früh an, dass Pearls Einschätzung ihres „X-Factors“ eher aus ihrem Kopfkino entspringt als den Tatsachen entspricht.
Die Pearl-Darstellerin Mia Goth, die auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, hingegen ist tatsächlich der Star des Films, auf den alles ausgerichtet ist. PEARLS Handlung ist eher episodisch, und bietet Mia hauptsächlich die Möglichkeit, selbst in der überhöhten Stimmung des Films, die zwischen Musical Glamour und Gothic Horror pendelt, immer noch das extremste Element zu sein. Subtilität und Subtext sind eher nebensächlich. Stattdessen gibt es eindrucksvolle Schauwerte: Das Blut spritzt, ein Schwein verrottet und als Finale gibt es einen ununterbrochenen minutenlangen, schauspielerisch durchaus eindrucksvollen, Prestigemonolog, als wollte Ms Goth eine Oscarnominierung ergattern. Mit dem kleinen Unterschied, dass dieser Eindruck kurz darauf bis ins Bizarre weitergetrieben und überhöht und das Publikum mit einem albtraumhaften Endbild entlassen wird.
Insgesamt ist X ein runderer Film, aber zwei Stunden mit PEARL bieten exzessiven Spaß zwischen Ekel und Fremdscham und schüren schon Vorfreude darauf, was die angekündigte Fortsetzung MAXXXINE bieten wird.

Christian Klose

Details

USA 2022, 103 min
Genre: Horror
Regie: Ti West
Drehbuch: Ti West
Kamera: Eliot Rockett
Schnitt: Ti West
Musik: Tyler Bates, Tim Williams
Verleih: Universal Pictures
Darsteller: Mia Goth, David Corenswet, Tandi Wright, Matthew Sunderland, Emma Jenkins-Purro
Kinostart: 01.06.2023

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