Neue Notiz
Oray
Aus Versehen geschieden
Im Streit mit seiner Frau spricht Oray, seit kurzem aus dem Gefängnis entlassen, die islamische Scheidungsformel aus: vor Wut dreimal hintereinander. Damit sind die beiden nach islamischem Recht geschieden…
„Talaq“: ein Wort, dessen Konsequenzen drastisch sein können. Nach islamischem Recht ist der Ausspruch der Scheidungsformel durch den Mann nur widerruflich, wenn sie ein- oder zweimal geäußert wird – die Verstoßung der Frau gilt bei dreimal als endgültig.
Oray, seit kurzem aus dem Gefängnis entlassen, spricht das Wort im Streit mit seiner Frau Burcu aus: vor Wut dreimal hintereinander, auf Burcus Mobilbox. Er fährt zu ihr um sie zu warnen, seine Nachricht nicht abzuhören – als sie es tut, bittet Oray einen Imam seiner Heimatgemeinde in Halle um Rat. Der Ausspruch erfordere eine Trennung auf Zeit, eine Pause für drei Monate. Burcu (Deniz Orta) ruft: "Es ist nur ein Wort, Oray!“ Doch er zieht nach Köln, weg von ihr. Oray schläft bei Freunden, verdingt sich auf einem Trödelmarkt und kommt in Kontakt mit einer muslimischen Gemeinde. In der kleinen Moschee, die er täglich besucht, beginnt er zu predigen und baut sich einen Freundeskreis auf. Burcu fehlt ihm, als sie ihn besucht, wirken beide gelöst. Bilal (Cem Göktaş), der Kölner Imam, interpretiert den Koran strenger als jener in Halle: Eine Scheidung sei nach dreimaligem talaq unwiderruflich. Am Silvesterabend zieht Oray die Vorhänge zu, schwankt zwischen der Liebe zu seiner Frau und dem Gewicht seines Glaubens.
Mehmet Akif Büyükatalays Spielfilmdebüt wirft einen ausgeklügelten Blick auf den Alltag streng gläubiger Muslime in der türkischen, mazedonischen, arabischen Diaspora in Deutschland: Der Film ist am stärksten, wo er selten gesehene Bilder über den Islam als Glaubensgemeinschaft herstellt, ohne diese zu werten – die Religion engt ein und behütet gleichermaßen. Büyükatalay räumt seinen Charakteren Zeit ein, stellt sie in subtilen Dialogen und Details jenseits von Klischees dar. Zejhun Demirov spielt den zerrissenen Mann mit beeindruckender Präzision, Christian Kochmanns Kamera ist stets nah an ihm dran. Ein herausragendes Debüt, das diesen Februar auf der Berlinale als bester Erstlingsfilm ausgezeichnet.
Deutschland 2019, 100 min
Sprache: Deutsch, Türkisch
Genre: Drama, Beziehungsdrama
Regie: Mehmet Akif Büyükatalay
Drehbuch: Mehmet Akif Büyükatalay
Schnitt: Denys Darahan
Verleih: déjà-vu film
Darsteller: Zejhun Demirov, Deniz Orta, Cem Göktaş, Ferhat Keskin, Mikael Bajrami
Kinostart: 30.05.2019
Website
IMDB
Vorführungen
Keine Programmdaten vorhanden.
ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.